
Wahrheit und
Versöhnung
?
Zum Umgang mit der DDR-Geschichte
Berlin, im November 2018
Vorwort
Neue und ungewohnte Töne waren in der Bundestagsdebatte am 27.09.2018 zu
vernehmen.
Der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer,
Christian Hirte, schätzte ein: „Differenzen,
die wir in ganz Europa wahrnehmen, ziehen sich ein Stück weit auch durch unser
Land. Nicht alles können wir dabei mit 40 Jahren SED-Diktatur erklären, sondern
hier wirken die Erfahrungen der 90er Jahre noch immer nach. Nicht alles, was in
dieser Zeit geschah, war segensreich.“
Der Ostbeauftragte der SPD und sächsische SPD-Vorsitzende Martin Dulig
stellte fest: “Die Nachwendezeit ist
vorbei, Ihre Aufarbeitung beginnt aber erst jetzt. Es war ein zentraler Fehler,
über die damaligen Umbrüche, die Kränkungen und die Ungerechtigkeiten nicht
öffentlich zu debattieren. Es wird Zeit, über die Form und Fehler des
Systemwandels zu sprechen, der damals unter marktradikalen Vorzeichen ablief.
Ich habe daher vorgeschlagen, eine gesamtdeutsche Wahrheits- und
Versöhnungskommission einzusetzen.“ (Vgl. „Das Parlament“ Nr. 40-41 vom 01.
Oktober 2018 – Debattendokumentation)
Auch ein Insider der Aufarbeitungsindustrie, BStU-Mitarbeiter und Bewerber für einen freiwerdenden
Posten in Berlin-Hohenschönhausen, Ilko-Sascha Kowalczuk,
meldete sich in der Süddeutschen Zeitung zu Wort. Er führte u.a. aus: „Diese Geschichte von Leid, Opfern,
Unterdrückung und Widerstand erreichte die Gesellschaft nicht, es war nicht
ihre Geschichte, noch schlimmer: Es wurde nicht ihre Geschichte... Aufarbeitung
muss den Menschen gerecht werden, nicht den Aufarbeitern.
Die DDR-Aufarbeitung sollte nun, fast dreißig Jahre nach dem Mauerfall,
beginnen, die ganze Palette der DDR-Gesellschaft und die
Transformationsgeschichte verknüpft zu erzählen. In dieser Aufarbeitung müssen
alle Erfahrungsräume Platz finden“ (SZ vom 22. 10. 2018).
Solche Einsichten kommen nicht von ungefähr. Sie
sind nur vor dem Hintergrund des sichtbaren Vertrauensverlustes der
Regierungsparteien, der sich vertiefenden Spaltung der Gesellschaft und des
unaufhaltsamen Vormarsches rechtspopulistischer Kräfte – besonders in
Ostdeutschland - zu erklären. Ob es sich dabei um Beschwichtigungsversuche,
politisches Taktieren oder gar um einen Neuanfang bei der Betrachtung der
Geschichte der DDR handelt, wird sich zeigen, z.B. auch daran, ob der
angedachte Kulturwandel in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen neben der
Vermeidung sexueller Übergriffe auch dazu führt, wenigstens ein Minimum an
Seriosität herzustellen und auf offenkundige Lügen, Verleumdungen und einen öffentlichen
Pranger für ehemalige Angehörige des MfS zu verzichten.
Auf den Prüfstand gehört aber zweifellos eine
Behörde, die seit 1990 weit mehr als zwei Milliarden Euro an Steuergeldern
(mehr als das 80-fache der Ausgaben für die „Zentralstelle zur Verfolgung von
NS-Verbrechen“) verschlungen hat, die Behörde des Bundesbeauftragten für die
„Stasi-Unterlagen“.
Die GRH hat 21 Fragen zu Sinn, Aufgaben und zur Zukunft dieser
Einrichtung formuliert, die zugleich grundsätzliche Fragen des künftigen
Umgangs mit der DDR-Geschichte sind. Diese Fragen, wie auch das entsprechende
Anschreiben nachfolgend dokumentiert, wurden am 21.06.2018 an den Leiter dieser
Behörde, Roland Jahn, und als Kopien der Staatsministerin für Kultur und
Medien, Monika Grütters, der Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Kultur
und Medien, Katrin Budde, den Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Recht
und Verbraucherschutz, Stephan Brandner, und den Wissenschaftlichen Leiter des
Forschungsverbundes SED-Staat, Prof. Dr. Klaus Schröder, zugesandt.
Am 19.10.2018 fand ein Gespräch statt, zu dem Roland Jahn eingeladen
hatte und an dem Hans Bauer, Dr. Reinhard Grimmer, Karl Rehbaum
und Wolfgang Schmidt teilnahmen. Allein, dass dieses Gespräch überhaupt
stattfand, ist eine kleine Sensation, hatten doch die Vorgänger von Roland Jahn
solche Gespräche stets abgelehnt und Angehörigen des MfS jegliche Berechtigung
abgesprochen, als Zeitzeugen an der Aufarbeitung der Geschichte der DDR und des
MfS teilzunehmen.
Niemand konnte erwarten, dass es in diesem Gespräch zu einer
ideologischen Verbrüderung zwischen den Gesprächspartnern kommen könnte.
Fundamentale Gegensätze wurden nicht geleugnet. Trotzdem waren in dem etwa
einstündigen Gespräch, welches sachlich und offen geführt wurde, auf die uns vor
allem bewegende Frage, wie lange noch die BStU die
"Aufarbeitung" in der bekannten Art fortsetzen will, von Roland Jahn
überraschende Einschätzungen und Feststellungen zu vernehmen.
Angesichts der Spaltung der Gesellschaft und des wachsenden Einflusses
rechtsextremistischer Tendenzen sei ein politischer Diskurs notwendig, an dem
sich auch die ehemaligen Angehörigen des MfS beteiligen sollten. Diese
Beteiligung sollte nicht an demütigende Bedingungen geknüpft werden. Es sei
besser von Verantwortung als von Schuld zu sprechen.
Sicher wäre niemand Mitarbeiter des MfS geworden, weil er Menschen quälen
wollte. Das „Täter-Opfer-Klischee“ sei für das Geschichtsverständnis
ungeeignet. Notwendig sei der Respekt vor den Biografien der Menschen. Auch
müsse die Geschichte in der Wechselwirkung der Aktionen der beiden deutschen
Staaten verstanden werden.
Erwartungsgemäß wurden die aufgeworfenen 21 Fragen nicht beantwortet und
eine Beantwortung auch nicht in Aussicht gestellt. Mit dieser Publikation
machen wir sie nunmehr öffentlich.
Ebenfalls veröffentlichen wir einen Brief an die Beauftragte der
Bundesregierung für Kultur und Medien, Frau Prof. Monika Grütters, in dem zum
angestrebten Kulturwandel in der Gedenkstättenarbeit Stellung genommen wird.
Wir sehen mit diesen Initiativen einen Beitrag, 28 Jahre nach dem Ende
der DDR endlich zu einem sachlichen und vernünftigen Umgang mit der
DDR-Geschichte zu kommen und die Ausgrenzung großer Gruppen der DDR-Bevölkerung
in der heutigen Gesellschaft zu überwinden.
Hans Bauer Dr. Reinhard
Grimmer
Karl Rehbaum Wolfgang Schmidt
Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung (GRH) e.V.
Der Vorsitzende
Bundesbeauftragten
für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes
der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
Herrn Roland Jahn
Karl-Liebknecht-Straße 31/33
10178 Berlin
Berlin, den 21. Juni 2018
Sehr geehrter Herr Jahn,
als Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung e.V.
(GRH) vertreten wir jenen Teil der Bevölkerung Deutschlands, der seit
Herstellung der staatlichen Einheit ausgegrenzt, diffamiert, sozial abgestraft
und diskriminiert wird. Es sind Menschen, die für die DDR Verantwortung
getragen haben und denen insbesondere eine Zusammenarbeit in und mit dem
Ministerium für Staatssicherheit zur Last gelegt wird. Ihre Lebensleistungen
werden verunglimpft, demokratische Gesinnung wird ihnen abgesprochen,
berufliche und politische Karrieren werden verhindert.
An diesem seit einem Vierteljahrhundert andauernden Zustand hat Ihre
Behörde entscheidenden Anteil. Als Instrument dafür dienen die Unterlagen des
MfS. Mit ihrer Nutzung soll die DDR vor allem durch Dämonisierung des MfS
delegitimiert werden.
Solche Erwartungen haben sich allerdings nicht erfüllt. Große Teile der
Bevölkerung Ostdeutschlands erinnern sich vor allem an die Friedenspolitik, den
konsequenten Antifaschismus und die sozialen Errungenschaften der DDR.
Auch als Institution der politischen Bildung und als Einrichtung der
Forschung hat sich Ihre Behörde als untauglich erwiesen. Wesentliche Prinzipien
der Auswertung der Unterlagen, wie gründliche Recherche, Sorgfaltspflichten,
Angemessenheit, Neutralität und Vollständigkeit werden vernachlässigt; ebenso
relevante Zusammenhänge ausgeblendet.
Das gegenwärtig offensichtliche Bemühen, die Fixierung auf das MfS zu
relativieren und sich stärker auf Staat, SED und DDR-Alltag für die
Anti-DDR-Hetze zu fokussieren, wird die Konflikte in der Gesellschaft verstärken
und die Spaltung weiter vertiefen.
Die politisch Verantwortlichen müssen entscheiden, ob sie den Weg der
Spaltung und des Unfriedens in Deutschland fortsetzen wollen.
Wir meinen jedenfalls, dass es dringend geboten ist, neue Wege in der
Bewertung und Bewältigung der Vergangenheit beider deutscher Staaten zu gehen.
Wir haben uns deshalb erlaubt, 21 Fragen zur Arbeit der BStU und darüber hinaus zu formulieren. Die als Anlage
beigefügten Fragen sollen bei Verantwortlichen und in der Öffentlichkeit zum
Nachdenken anregen.
Für eine Positionierung zu den aufgeworfenen Fragen wären wir Ihnen
dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Bauer
PS: Diesen Brief mit den Fragen haben wir zur Kenntnis übersandt an
die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters;
die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien, Katrin
Budde;
den Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz,
Stephan Brandner;
den Wissenschaftlichen Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat, Prof.
Dr. Klaus Schröder.
Frageliste
„Dem guten Frager ist schon halb
geantwortet.“
(Friedrich Nietzsche)
Frage 1:
Ältere
Mitglieder der GRH erinnern sich an ein vom Presse- und Informationsdienst der
Bundesregierung veröffentlichtes Bulletin (Nr. 169) mit dem Titel „Memorandum
der Bundesregierung – vom 2. September 1956 – zur Frage der Wiederherstellung
der deutschen Einheit“.
Das
Memorandum war am 7. September 1956 von den BRD-Botschaftern in Moskau,
Washington, Paris und London per Note an die jeweiligen Außenminister übergeben
worden. Das Bulletin war zudem in einer komplizierten Phase des „Kalten
Krieges“ (Lage in Polen und Ungarn) mit bemerkenswertem medialem Aufwand
verbreitet worden. Nach einer
ausführlichen Schilderung der damaligen Vorstellungen der Bundesregierung unter
Dr. Konrad Adenauer heißt es in diesem Memorandum:
„14. Die Bundesregierung ist der Überzeugung,
dass freie Wahlen in ganz Deutschland, wie sie auch immer ausfallen mögen, nur
den Sinn haben dürfen, das deutsche Volk zu einen und nicht zu entzweien. Die
Errichtung eines neuen Regierungssystems darf daher in keinem Teile
Deutschlands zu einer politischen Verfolgung der Anhänger des alten Systems
führen. Aus diesem Grunde sollte nach Auffassung der Bundesregierung dafür
Sorge getragen werden, dass nach der Wiedervereinigung Deutschlands niemand
wegen seiner politischen Gesinnung oder nur weil er in Behörden oder
politischen Organisationen eines Teils Deutschlands tätig gewesen ist, verfolgt
werden.“
Herr Bundesbeauftragter, Sie und die von
Ihnen geleitete Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) sind heute als staatliche Institution der BRD für
diese Fragen maßgeblich mit zuständig. Wie denken Sie heute über diese damalige
Haltung der Bundesregierung? Ist sie heute, nach mehr als einem
Vierteljahrhundert der „Wiedervereinigung Deutschlands“, nicht aktueller denn
je?
Frage 2:
Die
Behörde des Bundesbeauftragten begann ihre Tätigkeit mit 52 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern in der Berliner Zentrale und den 14 Außenstellen der damals
noch bestehenden Bezirks-Hauptstädte der DDR. Die Behörde entwickelte sich bis
Mitte der 90er Jahre zum zentralen BRD-Staatsorgan für die „Aufarbeitung der
Stasi-Unterlagen“ mit bis zu 3200 Beschäftigten und beschäftigte Ende 2016
immer noch 1.600 Mitarbeiter.
Die
erst 1958 – also 13 Jahre nach der Zerschlagung des faschistischen deutschen
Staates durch die Alliierten – in der Alt-BRD gebildete „Zentralstelle für die
Aufklärung von NS- Verbrechen“ in Ludwigsburg begann ihre Arbeit mit 600
Ermittlungsverfahren und hatte zu Zeiten der größten Arbeitsbelastung im
Zeitraum 1967 – 1971 ganze 121 Mitarbeiter und Beschäftigte. 2013 waren es noch
19.
Während das faschistische Deutschland Raub- und Eroberungskriege führte und
unzählige Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit Millionen Opfern zu
verantworten hat, Konzentrations- und Vernichtungslager unterhielt und vom
Nürnberger Tribunal völkerrechtlich verurteilt wurde, war die DDR ein
geachtetes Mitglied der UNO mit einer aktiven auf die Erhaltung des Friedens
gerichteten Politik. Ihre Repräsentanten waren ausgewiesene Antifaschisten.
Für
die BStU mussten die Steuerzahler bisher 2,5
Milliarden Euro aufbringen. Noch heute beschäftigt die BStU
zehn Mal mehr Mitarbeiter als die Ludwigsburger Behörde in ihren Spitzenzeiten.
Wie erklären Sie der Öffentlichkeit die
Tatsache, dass die BStU innerhalb von nur vier Monaten
ebenso viele Steuergelder in Anspruch nimmt, wie die Ludwigsburger Zentrale
Stelle für die Aufklärung der NS-Verbrechen in den 31 Jahren von 1958 -1989?
Frage 3:
Die
Gleichsetzung der „beiden deutschen Diktaturen“ gehört zu den gebetsmühlenartig
wiederholten Prämissen öffentlicher Präsentationen der BStU
und gipfelt in Versuchen, die DDR, in der im Gegensatz zum faschistischen
Regime keine Menschheitsverbrechen begangen wurden, sogar als den schlimmeren Abschnitt der
deutschen Geschichte zu charakterisieren. So wird im 7. Tätigkeitsbericht der BStU verkündet [in Klammern Übersetzung ins Deutsche]:
„Im Nationalsozialismus hat es eine so
elaborierte, institutionell derart verfeinerte und verfestigte Durchherrschung der Gesellschaft, einen solchen
sozial-technischen Arkanbereich [Geheimbereich], wie
wir ihn nach dem Untergang des Staatssozialismus vorfanden, nicht gegeben.
(wenn wir von der höchstarbeitsteiligen Vorbereitung und Durchführung des
Judenmordes einmal absehen). In diesem Sinne war das Dritte Reich gar keine
avancierte [hochrangige] sondern eine atavistische [überholte,
primitive] Diktatur.“
Glauben Sie ernsthaft, dass die Bilder
zerbombter Städte, der Leichenberge und der ausgemergelten Häftlinge
faschistischer Konzentrations- und Vernichtungslager, der Erschießungskommandos
der SS, der Verbrechen von Lidice und Ouradour, der nach medizinischen Versuchen in Hamburg
erhängten Kinder u.v.a.m. auf Dauer durch Bilder vom Arbeitszimmer Erich
Mielkes oder von Untersuchungshaft-Zellen in Hohenschönhausen verdeckt werden
können?
Frage 4:
Hauptanliegen
der BStU war und ist die Aufdeckung der „Verbrechen
der SED-Diktatur“. Die Ergebnisse der juristischen Strafverfolgung ehemaliger
MfS-Mitarbeiter nach 1990 sind jedoch derart lächerlich, dass die
Bundesregierung sich weigert, genaue Zahlen zu veröffentlichen, um die „Opfer“
nicht zu enttäuschen.
Welche und wie viele Verbrechen (d. h.
Verbrechen im strafrechtlichen Sinne, keine moralisierenden Anschuldigungen)
wurden auf der Basis der hinterlassenen Akten des MfS aufgedeckt? Konnte die BStU Beweise für angebliche Folter und Mord seitens der
MfS-Mitarbeiter vorlegen?
Frage 5:
Nach
unserer Kenntnis hat das MfS Sachverhalte geprüft und zu Personen ermittelt,
bei denen es erste Verdachtshinweise auf Verletzung von Tatbeständen des
Strafgesetzbuches der DDR gab, die in die Zuständigkeit des MfS fielen.
Die
Diensteinheiten des MfS hatten sich vor der Entscheidung über eine vorläufige
Festnahme bzw. Verhaftung die zugrundeliegende Tatbestandsverletzung des StGB
der DDR vom Untersuchungsorgan des MfS (zentral im Ministerium HA IX, in den
Bezirken Abt., IX des MfS) mit der Vorlage eines Abschlussberichtes bestätigen
zu lassen. Das Untersuchungsorgan wiederum musste sich von der zuständigen
Staatsanwaltschaft eine analoge Bestätigung für Maßnahmen wie Zuführung zur Untersuchung/Verhaftung,
Hausdurchsuchung u. ä. einholen.
In den
Publikationen der BStU wird der Eindruck erweckt, als
habe das MfS nur Oppositionelle, Regimegegner und Andersdenkende verfolgt und
dabei außerhalb jeglicher Gesetzlichkeit gestanden. Wie das von der BStU herausgegebene Handbuch zur Hauptabteilung
Untersuchung des MfS zeigt, sind die tatsächlichen Verhältnisse (so auch die
Zahlen der Inhaftierten und die Gründe der Inhaftierung) genauestens bekannt.
Warum erfolgen keine Richtigstellungen und Differenzierungen
zu den oftmals unsachlichen und verleumderischen Anwürfen gegen das MfS?
Frage 6:
Wenn
in den Medien etwas als besonders gemein, hinterhältig, verrucht oder
widerwärtig charakterisiert werden soll, ist nicht selten von „Stasi-Methoden“
die Rede. Die BStU verfügt über nahezu alle
Richtlinien, Dienstanweisungen, Berichte über Arbeitsergebnisse und selbst
Lehrmaterialien des MfS, in denen Aufgaben, Ergebnisse und Methoden seiner
Arbeit umfassend dargestellt sind. Sie sind also über die Methoden des MfS
bestens informiert.
Welche Methoden der Geheimdienstarbeit wurden
vom MfS angewandt, die nicht auch von Geheimdiensten der westlichen
„Demokratien“ bis heute praktiziert werden?
Hat das MfS beispielsweise solche Methoden
der heutigen Geheimdienste angewandt, wie
Vorbereitung und Unterstützung von
Aggressionskriegen;
Inszenierung politischer Umstürze;
Politische Auftragsmorde;
Menschenrechtswidrige Verhörmethoden, wie waterboarding, Einsatz von Lügendetektoren, sog.
Wahrheitsdrogen, Verhöre unter Hypnose u. ä.;
Wirtschaftssabotage, Arbeit mit agents provocateurs bzw. Aufforderung zu Straftaten?
Frage 7:
Herr
Bundesbeauftragter,
in
Ihrer Vorstellung des 13. Tätigkeitsberichtes (TB) auf der
Bundespressekonferenz am 21. März 2017 setzten Sie sich mit Nachdruck ein
für
die dauerhafte Erhaltung eines eigenständigen „Stasi-Unterlagen-Archivs“ (27
Jahre nach dem „Einigungsvertrag“)
für
dauerhafte persönliche Akteneinsichten,
für
die Aufhebung der Fristen für die Rehabilitierung von „Opfern“ und vor allem
für
den weiteren Erhalt der Möglichkeiten der allseitigen Überprüfung von Personen hinsichtlich Kontakten bzw. Tätigkeiten für das MfS, einem
legitimen Staatsorgan der DDR.
Wer sind in Ihren Augen alles „Opfer“? Auch jene, die als Spione, Saboteure,
Diversanten, Terroristen, „Fluchthelfer“, Nazi- und Kriegsverbrecher u. a. nach
Straftatbeständen des DDR-Strafrechts (das jedem internationalem Vergleich,
bes. auch westlicher Staaten, wie z. B. Frankreich, standhielt) durch
DDR-Gerichte verurteilt wurden?
Frage 8:
Seit
Jahr und Tag überschüttet Ihre Behörde die Öffentlichkeit mit einem Schwall von
Antragszahlen („Millionen haben ihre Akte gelesen“), die nicht konkret
unterlegt werden und letztlich nichts besagen.
Im 13.
Tätigkeitsbericht des BStU für die Jahre 2015/2016
wird erstmals eine Zahl genannt, wie viele Antragsteller ihre Akte persönlich
eingesehen haben. Das sind weniger als 5 % der Antragsteller. Ausgeblendet
werden hunderttausende Fälle, in denen überhaupt keine Akte vorlag. Bei der
Masse des vorgefundenen Materials dürfte es sich um Ergebnisse von
Sicherheitsüberprüfungen handeln, für die das MfS staatsrechtlich zuständig war
und die zu ca. 94 % positiv entschieden wurden.
Die
Angaben zum Umfang der Akten des MfS wurden seitens der BStU
schon mehrfach korrigiert. Der aktuelle Tätigkeitsbericht geht von 111 km
Schriftgut aus.
In
diesem Schriftgut sind jedoch neben dokumentierten Sicherheitsüberprüfungen
überwiegend Akten enthalten, die für die Verteufelung des MfS ungeeignet sind,
wie die Personalakten der Mitarbeiter und IM,
die Unterlagen der rückwärtigen Dienste, das Nazi-Archiv, andere
Dokumente des inneren Dienstbetriebes usw. usf.
Wann endlich liefern Sie eine aussagefähige
und ehrliche Analyse zu den Zahlen der Antragsteller und zum Anteil sog.
Opferakten am Aktenbestand des MfS?
Frage 9:
Die
Rekonstruktion zerrissener MfS-Akten mittels Computertechnik wurde vorerst
gestoppt, da leistungsfähige Scanner nicht zur Verfügung stehen und der
finanzielle Aufwand unverhältnismäßig hoch ist. Unabhängig davon wurden und
werden Papierschnipsel seit mehr als zwei Jahrzehnten manuell zusammengesetzt.
Worin bestehen die Ergebnisse dieser
Puzzle-Arbeit? Wurden über die Zusammenfügung einzelner IM-Akten hinausgehende
grundsätzlich neue Erkenntnisse über die Arbeit des MfS gewonnen, die den
immensen Aufwand rechtfertigen?
Frage10:
Die BStU erhebt den Vorwurf, das MfS habe Nazi- und
Kriegsverbrecher geschont. Umfangreiche Bestände des Nazi-Archivs des MfS
wurden von der BStU übernommen.
Wer von den seitens des MfS angeblich
geschonten Nazi- und Kriegsverbrecher wurde nach 1990 vor Gericht gestellt?
Frage 11:
Prof.
Dr. Hansjörg Geiger (ehemals Direktor der BStU und
danach Präsident des Bundesverfassungsschutzes und des BND) hat 2015 in einer
Stellungnahme angemerkt:
„Mehr als 25 Jahre nach dem Ende des MfS
kann für die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Eingriffe in das
Persönlichkeitsrecht der wie auch immer von den Stasi-Akten Betroffenen nicht
mehr von einer Sondersituation ausgegangen werden aus der heraus den
Betroffenen diesbezüglich noch weiterhin besondere Einschränkungen auferlegt
werden könnten.“ Er verwies dabei auf Urteile des
Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) und die europäische Rechtsprechung.
Auch sog. Bürgerrechtler gingen 1990 davon aus,
dass nur für eine „Übergangszeit“
gelten sollte, dass „eine nachweisliche
und bewusste Verstrickung mit dem Apparat der Staatssicherheit“ dazu führt,
Personen „in Vertrauensstellungen im
Rechts- und Gesundheitswesen, im politischen, pädagogischen und kirchlichen
Bereich sowie für Führungspositionen in anderen Sektoren“ als „ungeeignet“ zu erklären.
Nach
mehr als 25 Jahren ist eine „Übergangszeit“ doch wohl längst abgelaufen.
In
diesem Zeitraum sind alle Straftaten außer Völkermord und Mord verjährt und die
meisten Straftaten bereits aus dem Strafregister getilgt. Nicht-Straftaten, wie
die Zugehörigkeit zum MfS, eine IM-Tätigkeit oder deren Verschweigen nach 1990
werden mit Material der BStU aber noch heute eingesetzt,
um persönliche Existenzen zu vernichten und Personen, die keinerlei Straftaten
begangen haben, öffentlich anzuprangern und zu diskreditieren.
Wann ist mit einem Ende dieser Hexenjagd und
der Herstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse zu rechnen?
Frage 12:
Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom
Juni 2016 zur dauerhaften Nutzung der Stasi-Unterlagen ist auch ein
Auftrag zur Einleitung des Transformationsprozesses
der Stasi-Unterlagen-Behörde ausgesprochen worden. Zur Transformation
gehört u.a.,
dass Sie als Bundesbeauftragter zusammen mit dem Bundesarchiv „ein gemeinsames, belastbares Konzept für
die dauerhafte Sicherung der Stasiakten durch eine Überführung des
Stasiunterlagenarchivs in das Bundesarchiv“ vorbereiten sollen.
Welche
konkreten Maßnahmen wurden bisher zur Realisierung dieses
Transformationsprozesses eingeleitet und ist damit zu rechnen, dass dieser in
absehbarer Zeit abgeschlossen werden kann?
Frage 13:
Der
Kalte Krieg als Merkmal der Systemauseinandersetzung zwischen Kapitalismus und
Sozialismus wurde bekanntlich von beiden Seiten geführt, war von Aktion und
Reaktion und gegenseitiger Beeinflussung geprägt. Die Darstellungen der BStU blenden den Anteil der westlichen Seite fast völlig
aus und halten MfS-Dokumente zu den westlichen Diensten weiter unter
Verschluss, so dass der Eindruck von Schattenboxen entsteht und einer der
beiden Fighter unsichtbar bleibt.
Dokumentiert
sind westliche Anwerbungsversuche mit Mitteln der Erpressung und Bestechung,
aber auch die Versagung von Unterstützung von Agenten nach deren Inhaftierung
durch das MfS bzw. Verurteilung durch DDR-Gerichte.
Völlig
ausgeblendet wird, dass zahlreiche DDR- und Bundesbürger von den westlichen und
westdeutschen Geheimdiensten überwacht, ausgespäht und bespitzelt wurden und
auch heute noch werden. Besonders offensichtlich wurde das bei der jüngsten
gerichtlichen Auseinandersetzung um die Freigabe von Geheimdienstunterlagen der
BRD-Geheimdienste über den ehemaligen Ministerpräsidenten der DDR und
Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Dr.
Hans Modrow.
Ist damit zu rechnen, dass die umfangreichen
Unterlagen des MfS zum Wirken westlicher Geheimdienste und anderer subversiver
Organisationen gegen die DDR – soweit sie nicht schon längst in deren Hände
gelangt sind – für eine objektive und sachliche Geschichtsschreibung
erschlossen werden?
Wann ist mit einer Öffnung der Archive der
bundesdeutschen Geheimdienste zu rechnen und werden dann Bürger die sie
betreffenden Unterlagen nach gleichen Regeln einsehen können, wie die
Unterlagen des MfS?
Frage 14
In der 18. Wahlperiode hat die Fraktion der Partei
Die LINKE zwei Anfragen an die Bundesregierung zur Tätigkeit westdeutscher
Nachrichtendienste gestellt:
Zur Beobachtung von Funktionsträgern und
sonstigen Bürgern der DDR und zur Beobachtung von Bürgerinnen und Bürgern sowie
Massenorganisationen der BRD aufgrund von Kontakten in die DDR. Die
Bundesregierung hat in 2015 in zwei Drucksachen darauf geantwortet
(Drucksachen DS 18/3773 und DS 18/4779).
Die Antworten lassen viele Fragen offen. Allerdings
äußert sich die Bundesregierung in der Drucksache DS 18/3773, Punkt 3, wie
folgt:
„Die Bundesregierung sieht in den Aktivitäten der bundesdeutschen
Nachrichtendienste gegenüber der ehemaligen DDR ebenfalls ein wichtiges Element
in der Geschichte des Kalten Krieges, das der wissenschaftlichen Erforschung
bedarf. Die Bundesregierung sieht es aber nicht als ihre Aufgabe an, diesen
Aspekt der Geschichte zu erforschen. Das bleibt der Wissenschaft vorbehalten.
Grundlage dieser Forschungen müssen allerdings die Unterlagen der betreffenden
Behörden sein, wie das ja auch für die Erforschung des Ministeriums für
Staatssicherheit (MfS) der Fall ist. ... Die Bundesregierung ist auch weiterhin
bereit, entsprechende Forschungsvorhaben zur Aufarbeitung von Aktivitäten der
bundesdeutschen Nachrichtendienste gegenüber der ehemaligen DDR nach Kräften zu
unterstützen.“
Wie stehen Sie zu der Feststellung der
Bundesregierung, dass die Forschungen zu den bundesdeutschen Nachrichtendiensten wie die Forschungen zum Ministerium
für Staatssicherheit (MfS) erfolgen müssen? Sehen Sie sich in der
Verantwortung, solche Forschungen mit zu initiieren? Ist Ihnen bekannt, was
aufgrund dieser Feststellungen der Bundesregierung bisher veranlasst
wurde?
Frage 15:
In den
uns bekannt gewordenen Veröffentlichungen der BStU
gibt es so gut wie keine Informationen über die Organisierung der umfangreichen
Spionagetätigkeiten der BRD-Geheimdienste (angefangen mit der berüchtigten
Organisation Gehlen, dem Bundesnachrichtendienst [BND], dem Bundesamt und den
Landesämtern für Verfassungsschutz [BVA/LVA], dem Militärischen Abschirmdienst
[MAD] und vieler anderer Institutionen, wie die „Kampfgruppe gegen
Unmenschlichkeit [KgU]“, den „Untersuchungsausschuss
freiheitlicher Juristen [UfJ]“, die „Ostbüros“ staatstragender bundesdeutscher Parteien, sowie
maßgeblicher westlicher Geheimdienste mit ihren Filialen in der BRD und
Westberlin, wie denen der USA [CIA, DIA, INSCOM, NSA u. a.]) gegen die DDR und
andere damalige sozialistische Staaten.
Dabei
waren doch gerade deren umfangreichen und vielfältigen Aktivitäten notwendiger
und berechtigter Anlass für die umfangreichen und auch sehr aufwendigen
(kostenintensiven) Gegenmaßnahmen der DDR, wie der Spionageabwehr,
einschließlich der deshalb notwendigen „Gegenspionage“ des MfS. Auch viele von
Ihrer Behörde als „Bespitzelung“ oder „Unterdrückung“ bezeichneten Handlungen des MfS, wie z.B. IM-Einsatz in
der BRD/Westberlin und in der DDR, Organisierung einer effektiven Einreise- und
Postkontrolle, Telefonüberwachung, Funkaufklärung und -abwehr zur Aufdeckung und Verhinderung dieser und
anderer Formen der Aggressions- und Wühltätigkeit gegen die DDR waren primär
berechtigte und weltweit praktizierte Abwehrmaßnahmen.
Für
die Spionageabwehr war im MfS federführend die Hauptabteilung II (der übrigens
auch die Abt. „M“/Postkontrolle unterstand), verantwortlich. Es wurden immerhin
über 5.000 Spione ausländischer, vorrangig westdeutscher Dienste vom MfS
enttarnt und rechtmäßig verurteilt.
Warum ist die BStU
gerade auf diesem Gebiet der legitimen Tätigkeit des MfS mit realen
Informationen so zurückhaltend, besser gesagt sprachlos?
Frage 16:
Die BStU hat bisher immer wieder grundsätzlich abgelehnt,
Zeitzeugen aus den Reihen des MfS anzuhören und ihnen Gelegenheit zu geben,
ihre Kenntnisse und ihr Wissen in die Aufarbeitung der Geschichte des MfS
einzubringen. Eine Konferenz zur Geschichte der Hauptverwaltung Aufklärung
wurde in Deutschland verhindert, konnte aber in Dänemark stattfinden. Vertreter
westlicher Geheimdienste und westliche Geheimdienstexperten diskutierten hier
mit MfS-Mitarbeitern auf gleicher Augenhöhe.
Die BStU beansprucht dagegen die alleinige Deutungshoheit über
die Unterlagen des MfS und lehnt entgegen den sonst üblichen Praktiken im
Rahmen der politischen Bildung jeden Dialog pauschal ab. Das führt zu extremer
Einseitigkeit und ist mit den Grundsätzen seriöser historischer Forschung nicht
vereinbar.
Warum sind Veranstaltungen zur sachlichen
Geschichtsaufarbeitung in Deutschland nicht möglich und ist es nicht an der
Zeit, die Erforschung der Tätigkeit des MfS in die Hände unabhängiger
Wissenschaftler zu legen?
Frage 17:
Es
liegen Hinweise vor, dass von der BStU verwaltete
Akten des MfS in größerem Umfang bis zu verplombten Lkw-Ladungen
bundesdeutschen, USA- und anderen westlichen Geheimdiensten ohne Sicherung von
Kopien übergeben und z.T. außer Landes geschafft wurden.
Wie groß ist der Umfang derartiger
Aktenbestände und warum wurden Sie entgegen der gesetzlichen Bestimmungen des
StUG aus den Beständen der BStU entfernt? Ist
vorgesehen, solche Akten zurückzufordern?
Frage 18:
Am 22.
April 1991 wurde von einem in Berlin-Tempelhof stationierten Einsatzkommando
des US-Militärgeheimdienstes OSI der deutsche Staatsbürger Jens Karney auf offener Straße festgenommen, nach Tempelhof
entführt, dort in einem vergitterten Raum unter massivem psychischen Druck
vernommen und noch am gleichen Tage in einem US-Militärflugzeug in die USA
ausgeflogen. In einem geheimen Gerichtsverfahren wurde er in den USA wegen
seiner früheren Tätigkeit für die HV A des MfS im Februar 1992 zu 38 Jahren
Strafhaft verurteilt. Als deutscher Staatsbürger hätte er nach Artikel 16 des
Grundgesetzes nicht an die USA ausgeliefert werden dürfen.
Ein
faires Verfahren gegen ihn war in den USA – wie die exzessive Verurteilung
bestätigt - ohnehin nicht zu erwarten. Es handelte sich also um eine illegale kidnapping-Aktion.
War die BStU in
diese Entführungsaktion involviert, hat sie den USA-Diensten belastendes
Material geliefert oder wissentlich in anderer Weise die Rechte des Betroffenen
verletzt?
Frage 19:
Durch die BStU, deren Zweigstellen und mit ihr kooperierenden
Einrichtungen, werden ständig bzw. gelegentlich Führungen durch ehemalige
Dienstgebäude, U-Haftanstalten und andere Immobilien des Ministeriums für
Staatssicherheit organisiert. Zum Beispiel fand am 15. Januar 2018 eine
Besichtigung von Teilen des Hauses 15 (ehem. Sitz der Hauptverwaltung A) im
Komplex des MfS statt. Zur Besichtigung standen die Dienstzimmer der beiden
ehem. Leiter der HV A, die Sauna und die Waffenkammer.
Besichtigung
und Video-Übertragung zeigten zwei leere und zum Teil veränderte sowie
zwischenzeitlich von der Deutschen Bahn genutzte Dienstzimmer. Gezeigt wurden
eine nach 28 Jahren Leerstand in desolatem Zustand befindliche Sauna und eine
Waffenkammer ohne Waffen, also einfach nur ein leerer Keller.
Weshalb werden derartige unrealistische, vom
ehemaligen Zustand und der Wirklichkeit abweichende, zum Teil falsche
Informationen enthaltende Veranstaltungen immer noch organisiert und
durchgeführt? Meinen Sie nicht auch, dass diese so gezeigten ehemaligen
Einrichtungen des MfS sich gegenüber denen der heutigen Dienste, z.B. der neuen
BND-Zentrale aber auch gegenüber Ihrer Behörde, mehr als bescheiden ausnehmen?
Frage 20:
Die BStU hat wesentlich dazu beigetragen, nach 1990 die
Entfernung der Mehrheit der DDR-Eliten aus verantwortlichen Positionen in Staat
und Gesellschaft zu rechtfertigen und durchzusetzen. Heute sind nahezu alle
wichtigen Positionen in Staat und Gesellschaft von Personen mit westdeutscher
Sozialisation besetzt, und es ist festzustellen, dass sich dieser quasi
koloniale Zustand reproduziert.
Ist das nicht ein Grund zu der Feststellung:
die BStU hat damit ihren Auftrag erfüllt und wird
nicht mehr benötigt?
Frage 21:
Entgegen
dem ursprünglichen Anliegen der Bildung der BStU und
im Widerspruch zum „Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes
der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“ (StUG) ist offenbar vorgesehen, diese für
alle Zeiten zu einer Zentrale der „Aufarbeitung der SED-Diktatur“, also der
Anti-DDR-Propaganda zu entwickeln und dafür die überlieferten Materialien aller
staatlichen Institutionen, der politischen Parteien und Massenorganisationen
der DDR zu missbrauchen. Große Personengruppen werden
grundgesetzwidrig weiter ausgegrenzt und diskriminiert. Viele ehemalige
DDR-Bürger fühlen sich weiter als Menschen zweiter Klasse. Damit wird die
Spaltung Deutschlands weiter zementiert.
Lässt sich auf diese Weise die innere Einheit
Deutschlands herstellen bzw. wird dieses Ziel überhaupt verfolgt?
Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung (GRH) e.V.
Der Vorsitzende
Beauftragte der Bundesregierung
für Kultur und Medien
Frau Prof. Monika Grütters
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Berlin, den 21.10.2018
Kulturwandel in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
Sehr geehrte Frau Grütters,
im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ Nr. 42 (Seite 42 ff.) vom 13.10.2018
ist in einem Artikel mit der Überschrift „Die Akte Knabe“ zu lesen: „Sie zeigen
den Besuchern noch immer diesen Film, in der Gedenkstätte
Berlin-Hohenschönhausen. 30 Minuten düstere Diktatur, mit Behauptungen, die wie
Gewissheiten anmuten. Ein jahrzehntealtes Gerücht wird in dem Film kolportiert,
die Stasi könnte bei Gefangenen Blutkrebs mit Röntgengeräten erzeugt haben,
aufgebracht von ehemaligen Häftlingen, bis heute unbelegt.“
Hier irrt „Der Spiegel“. Dieses Gerücht ist seit vielen Jahren u.a.
durch staatsanwaltliche Untersuchungen und eine eigens von der BStU eingesetzte Projektgruppe „Strahlen“ längst widerlegt.
In der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen wurden und werden also
hunderttausende Besucher wissentlich und vorsätzlich belogen – und nicht nur in
diesem Fall. Z.B. ist durch Video- bzw. Tonaufnahmen von Führungen der kreative
Umgang mit der historischen Wahrheit bei einer Reihe von Zeitzeugen
nachweisbar.
In der ständigen Ausstellung der Gedenkstätte werden per Bildwerfer in
Endlosschleife die Namen und Vornamen sämtlicher Mitarbeiter der Hauptabteilung
Untersuchung und der Abteilung Untersuchungshaftvollzug des MfS mit Dienstgrad
und Funktion an eine Wand projiziert, darunter auch Sekretärinnen, Kraftfahrer
und das Pflegepersonal des Haftkrankenhauses. Verschwiegen wird allerdings,
dass keine dieser Personen nach 1990 wegen Folter, Häftlingsmisshandlung oder
gar Tötungsverbrechen angeklagt war oder gar verurteilt wurde, obwohl die
bundesdeutschen Strafverfolgungsbehörden geradezu begierig solche Fälle
aufgegriffen hätten.
Während in der öffentlichen Berichterstattung die Namen selbst der
schlimmsten Gewalttäter anonymisiert werden, werden hunderte Personen an den
öffentlichen Pranger gestellt bei denen noch nicht einmal der Verdacht einer
Straftat vorliegt. Ist die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen eine Enklave im
deutschen Rechtsstaat?
Bei dem angestrebten Kulturwandel ist also meines Erachtens die
Verhinderung weiterer sexistischer Übergriffe der geringere Teil der zu
lösenden Aufgaben. Vielmehr sollte wenigstens ein Minimum an Seriosität in der
Arbeit der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen durchgesetzt werden.
Was übrigens Unterstellungen betrifft, die Ablösung von Herrn Knabe sei
das Ergebnis einer linken Verschwörung, so bestätige ich Ihnen gern, dass
Vertreter der Partei DIE LINKE zahlreiche und wiederholte Hinweise ehemaliger
Mitarbeiter des MfS zu den unseriösen Praktiken der Gedenkstätte
Berlin-Hohenschönhausen stets ignoriert und nie weiter verfolgt haben.
Hochachtungsvoll
Hans Bauer
Kopien
Kultursenator Herrn Klaus Lederer, Frau Marianne Birthler
Zu den Teilnehmern des Gespräches bei
Roland Jahn am 19.10.2018
Bauer, Hans,
Diplom-Jurist,
Diplom-Gesellschaftswissenschaftler, Jahrgang 1941, Rechtsanwalt, 1966-1990
Staatsanwalt, zuletzt Vize-Generalstaatsanwalt der DDR,
Herausgeber und Mitautor der Bücher "Siegerjustiz?" (Kai
Homilius Verlag 2003), "Grenzdienst war Friedensdienst (Spotless im Verlag Das Neue Berlin, 2011), Halt!
Stehenbleiben! (edition ost
2016), "Staatsanwalt ohne Robe" (Verlag Wiljo
Heinen 2017), Vorsitzender der GRH
Grimmer, Reinhard,
Diplom-Jurist, Diplom-Gesellschaftswissenschaftler,
Dr. jur., Jahrgang 1942, Oberst a. D., MfS/AfNS
1960-1990, Offizier für Grundsatzdokumente (ZAIG),
Herausgeber und Mitautor der Bücher „Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit
des MfS“ (edition ost 2002), „Fragen an
das MfS“ (edition ost 2010) sowie "Unbequeme Zeitzeugen I
& II" (edition ost
2014 bzw. 2015), Leiter der Arbeitsgruppe
Sicherheit der GRH
Rehbaum, Karl,
Diplom-Staatswissenschaftler,
Jahrgang 1937, Oberst a. D., MfS/AfNS 1955 - 1990,
Er war der Führungsoffizier des DDR-Kundschafters
Rainer Rupp und wurde u. a. deshalb 1994 zu
einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Mitautor der Bücher
„Militärspionage: Die DDR-Aufklärung in Nato und Bundeswehr“,
(Das Neue Berlin, 2011) und „Deckname
Topas. Der Spion Rainer Rupp in Selbstzeugnissen,“ (edition
ost, Berlin 2013)
Leiter der Arbeitsgruppe Kundschafter der GRH
Schmidt, Wolfgang,
Diplom-Kriminalist,
Jahrgang 1939, Oberstleutnant a. D., MfS/AfNS
1957-1990, Leiter der Auswertungs- und Kontrollgruppe der HA XX,
Mitautor der Bücher „Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS“ (edition ost 2002) und „Fragen an
das MfS“ (edition ost 2010)
Auf Intervention des Bundesverfassungsgerichtes 2018 vom Vorwurf der
"Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" freigesprochen.
Geschäftsführer der ISOR e.V. und Redakteur der Web-Seite www.mfs-insider.de