Wolfgang Schmidt
Erklärung
vor dem Amtsgericht Tiergarten am 27.09.2012 zur Anklage wegen
„Verunglimpfung
des Andenkens Verstorbener“
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
noch vor wenigen Wochen hätte ich es für ausgeschlossen gehalten, dass in einem Staat, der sich als Rechtsstaat versteht, eine derart konstruierte Anklage, wie die, mit der ich mich hier konfrontiert sehe, Gerichte beschäftigt. Seit meiner Veröffentlichung im Internet, wo mein umstrittener Beitrag seit November 2005 eingestellt ist, hat es schließlich auch nahezu 7 Jahre gedauert, bis diese Anklage zusammengebastelt war.
Schon im
April 2008 hatte die CDU-Fraktion der BVV Berlin-Lichtenberg in einer
Drucksache unterstellt, das MfS-Insiderkomitee betreibe auf seiner website einen aktiven Geschichtsrevisionismus und verhöhne
die Opfer der DDR-Diktatur, weil DDR-Widerstandskämpfer wie Johann Burianek dort z.B. als "Bandit" und
"Mitglied einer terroristischen Vereinigung" bezeichnet würden. Das
sollte dann 2008 auch in dem Verfahren
gegen mich, in dem ich wegen Verleumdung des Herrn Dr. Knabe-Buche verurteilt
wurde, eine Rolle spielen. Diese Idee wurde aber seinerzeit wieder verworfen.
Möglicherweise ist es ein Zufall, dass die gleichen Anschuldigungen zeitnah zur
CDU-Übernahme des Justizressorts in Berlin wieder aufgegriffen wurden. Völlig
abwegig ist allerdings der Verdacht nicht, dass in diesem Falle eine
Instrumentalisierung der Staatsanwaltschaft im Sinne von CDU-Politik erfolgt
ist.
Sei es
wie es sei.
Wie soll es überhaupt möglich sein,
jemanden zu verunglimpfen oder in seiner Ehre zu verletzen, indem man über ihn
die Wahrheit verbreitet?
Es ist nicht meine Erfindung oder irgendeine polemische Überspitzung oder Unterstellung: die dem Gericht als Beweismittel vorliegende Urteilsbegründung des Obersten Gerichts der DDR beweist, gestützt auf Aussagen der Angeklagten, auf Zeugenaussagen, Sachbeweise und Gutachten eindeutig, wann und wodurch die von Johann Burianek gebildete und geführte Gruppierung den Übergang zum Banditentum und zum Terrorismus vollzogen hat. Ich habe mich bemüht, das Urteil des Obersten Gerichtes der DDR - gekürzt und zusammengefasst - auf der von mir redigierten website wiederzugeben, wie ich glaube, absolut korrekt.
Im Rahmen meiner Möglichkeiten verfolge ich alle einschlägigen Veröffentlichungen regelmäßig und aufmerksam. Mir ist nicht bekannt geworden, dass konkrete Anklagepunkte gegen Burianek und seine Bande in irgendeiner Weise widerlegt worden wären. Auch das Rehabilitationsgericht hat sich nicht mit dem Urteil gegen Burianek in der Sache auseinandergesetzt. Dumpfe Spekulationen oder propagandistische Floskeln, wie z.B. das Etikett „Schauprozess“, lasse ich hierbei unbeachtet. Vor einem Gericht sollten Tatsachen zählen und keine böswilligen Unterstellungen.
Die eindeutig aus formaljuristischen Gründen erfolgte Rehabilitierung Burianeks ändert nichts, aber auch gar nichts an der konkreten Fakten- und Beweislage. Wenn ein in der DDR inhaftierter Spion des BND nach 1990 rehabilitiert wurde, dann war und bleibt er trotzdem ein Spion, er wird lediglich durch den Staat, in dessen Auftrag er einst tätig war, vom Makel einer Vorstrafe befreit. Auch eine moralische Aufwertung, z.B. die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, würde an den konkreten Fakten der Spionagetätigkeit und den dafür erbrachten Beweisen nichts ändern.
In
seiner Urteilsbegründung hat das Oberste Gericht der DDR auch heute noch
gültige Maßstäbe angelegt. Von einer Bande ist dann zu sprechen, wenn sich
Personen zur systematischen Begehung von Straftaten zusammengeschlossen haben.
Mitglieder einer Bande nennt man gewöhnlich Banditen. Wenn jemand mit einem
Sprengstoffkoffer ausgerüstet, Eisenbahnbrücken in die Luft sprengen bzw. Züge
auf Brücken zum Entgleisen bringen will und dabei skrupellos mit dem Leben
Hunderter von Menschen spielt, dann ist das eindeutig Terrorismus, auch dann,
wenn solche Taten nicht vollendet werden können. Die Stichworte „Düsseldorfer
Zelle“ oder „Sauerland-Gruppe“ dürften genügen, das heutige Verständnis von
Terrorismus oder der Existenz terroristischer Vereinigungen zu belegen. Dass
Terrorismus Banditentum einschließt, ja sogar eine besonders üble Form des
Banditentums darstellt, ist sicherlich unbestritten.
Nicht ausgeblendet werden darf der
Zusammenhang zur Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU)
in deren Auftrag Burianek handelte und von der er
ausgerüstet wurde. Die KgU war die skrupelloseste
Agentenorganisation, die von Westberlin aus gegen die DDR tätig war. Um zu
belegen, dass es sich bei der KgU um eine klassische
Terrororganisation gehandelt hat, genügt es unvoreingenommen die Aussagen ehem.
KgU-Agenten nach 1990 zu beurteilen. Zwei ehemalige Agenten der KgU erhielten in einer Fernsehsendung des WDR (»Bomben,
Gift und Reifentöter – die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit«) am 12. März
1996 Gelegenheit, sich zu erinnern. Joachim Müller (Deckname »Bürger«)
schilderte detailliert, wie er zweimal die Autobahnbehelfsbrücke bei Finowfurt
in Brand setzte, Reifentöter legte und festgenommen wurde, bevor er den
Sprengstoff erhielt, mit dem die Paretzer Schleuse
zerstört werden sollte. Walter Schöbe, Veterinärmediziner aus Leipzig, Mitglied
der KgU-Agentengruppe »Tagore« erklärte
wörtlich: »Wir haben jede Gelegenheit ergriffen, Unruhe und Verwirrung oder
Sabotage zu treiben, egal wo … Wir haben Reifentöter an die Autos der
Funktionäre, wo wir wussten, es sind welche, hingelegt … Malik (gemeint
war der hauptamtliche Mitarbeiter der KgU) sagte
zu mir, ihr bekommt Kantharidin für den Notfall, wenn militärische
Auseinandersetzungen kommen sollten, dass ihr irgendein Gift in der Hand habt,
um den Gegner – also es handelt sich nur um russische Soldaten, russische
Offiziere – kampfunfähig zu machen … Ich muss heute sagen, dass diese
Methoden doch harte Methoden waren und ich aber in keiner Weise, auch heute
nicht, diese Methoden verurteile.«
Ältere Mitarbeiter des MfS haben
mir übereinstimmend berichtet, dass sie zu Beginn der 50er Jahre in den frühesten Morgenstunden, Nacht für
Nacht, ausgerückt sind, um von KgU-Agenten auf den
Straßen ausgelegte Reifentöter einzusammeln. Reifentöter wurden also nicht, wie
in der WDR-Sendung verharmlosend geschildert „nur an Autos von Funktionären“
gelegt. Sie setzten auch die Autos von Ärzten außer Gefecht – und zwar
unabhängig davon, ob ein Arzt zu einem Patienten oder in einem Notfall
unterwegs war – vor allem aber trafen sie die überaus begrenzten Transportkapazitäten zur Versorgung der
Verkaufsstellen mit den ohnehin knappen Lebensmitteln. Neue Reifen waren kaum
zu erhalten, die beschädigten Reifen mussten mühsam geflickt und vulkanisiert
werden.
1993 oder 1994 erschien der
Begründer der KgU, Rainer Hildebrandt unangemeldet in
einer Vorstandssitzung des Insiderkomitees zur kritischen Aufarbeitung der
Geschichte des MfS. Da er von einem Mitglied des Vorstandes mitgebracht wurde,
den das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ als V-Mann „Förster“ des
Verfassungsschutzes enttarnt hat, ist dieser Auftritt möglicherweise
staatsoffiziell und geheim dokumentiert, wenn die Unterlagen zwischenzeitlich
nicht geschreddert sind. Rainer Hildebrandt wurde in
dieser Begegnung sofort mit dem Vorwurf konfrontiert, dass doch er und seine KgU es waren, die die Mitarbeiter des MfS zu besonderen
Anstrengungen zur Verteidigung der DDR motiviert hätten. Seine verblüffende
Antwort war sinngemäß: „Ich war das nicht, Tillich (sein Nachfolger ab 1951)
war das!“ Also noch nicht einmal der Begründer der KgU –
im Urteil des Obersten Gerichtes der DDR deshalb auch als Hildebrandt-Gruppe
bezeichnet - war bereit und in der Lage,
die Verbrechen der KgU zu rechtfertigen!
Die Staatsanwaltschaft suggeriert,
dass es sich bei der Verurteilung Burianeks zur Todesstrafe um einen Willkürakt, um eine
schwere Menschenrechtsverletzung gehandelt habe. Das steht so nicht im Rehabilitierungsurteil,
in dem Rechtsstaatswidrigkeit festgestellt, allerdings auch in der
Rehabilitierungsakte nicht weiter begründet oder erläutert wird.
Meine entsprechende Polemik im
Internet ist, das möchte ich hier eindeutig klarstellen, keine Rechtfertigung
dieses Todesurteils. Hätte sich die Rehabilitierung lediglich auf die
Todesstrafe bezogen, oder wäre das ganze Rehabilitierungs-Urteil mit
erkennbarer Distanz zu den Taten Burianeks abgefasst worden – es hätte mir keinen Anlass
für eine Entgegnung geboten. So wie es veröffentlicht wurde, kann es aber als
eine indirekte Rechtfertigung terroristischer Akte gegen die DDR verstanden
werden. Allein dieser Verdacht war
Anlass meiner Polemik!
Es fällt auf, dass die Rehabilitierung
Burianeks im Gegensatz zu fast allen anderen
Rehabilitierungsverfahren nicht in den Jahren 1990-1995 sondern erst 2005
erfolgte. Vermutlich hatte man 10 Jahre früher noch Skrupel, einen Terroristen
zu rehabilitieren.
Zweifellos war die Todesstrafe
gegen Burianek ein überaus hartes Urteil, aber doch
offensichtlich davon diktiert, potentielle Täter von vergleichbaren Straftaten
abzuschrecken und damit letztlich sogar Menschenleben zu retten. Wenn heute von
Staaten, deren freiheitlich-demokratische Ordnung nicht in Zweifel gezogen
wird, speziell seitens der USA und Israels, zur Bekämpfung tatsächlicher oder
vermeintlicher Terroristen unbemannte Flugkörper, Lenkraketen oder
Tötungskommandos zum Einsatz kommen, außerhalb jedes rechtsstaatlichen Verfahrens
und mit billigender Inkaufnahme völlig Unbeteiligter als Opfer, wenn bei der
Untersuchung von Terrorverbrechen sogar Folter angewandt und gerechtfertigt
wird, dann erscheint die These von einem menschenverachtenden Willkür- Urteil
des Obersten Gerichts der DDR geradezu absurd.
Fragwürdig erscheint es, wenn die
gesetzlich vorgesehene und angewandte Verhängung von Todesstrafen als Ausdruck
von Gewalt und Willkür gewertet werden soll. Bekanntlich werden auch heute noch
in vielen Staaten der Welt, darunter im Musterland der Demokratie, den USA,
Todesurteile vollstreckt. Wenn die BRD im internationalen Maßstab sehr
frühzeitig die Todesstrafe abgeschafft hat, dann darf nicht verdrängt werden,
dass dafür die Schonung der schlimmsten Nazi- und Kriegsverbrecher ein
maßgebliches Motiv war. Von den etwa 180 in der DDR vollstreckten Todesurteilen
betraf ca. die Hälfte Nazi- und Kriegsverbrecher. Auch die anderen Todesurteile
waren keineswegs nur politische Urteile.
Unter den Hingerichteten befanden sich auch Schwerstkriminelle und Personen,
wie in den Fällen Johann Burianeks und weiterer KgU-Agenten, bei denen die Grenze zwischen politischen
Straftaten und Schwerstkriminalität fließend war.
Die gängigen
Täter-Opfer-Klischees sind ungeeignet, die
Rolle und Person Johann Burianeks auch nur annähernd
richtig zu charakterisieren. Er war nicht nur Opfer der DDR sondern in erster
Linie auch Opfer einer verbrecherischen Organisation, die ihn mit Sprengstoff
ausgerüstet und mit einer Pistole bewaffnet in die DDR geschickt hat. Es war –
wie das Oberste Gericht der DDR zutreffend festgestellt hat – keineswegs sein
Verdienst, dass er rechtzeitig daran gehindert wurde, keine Toten und
Verstümmelten als Opfer des eigenen Handelns zu hinterlassen.
Selbstverständlich besitzen auch Terroristen Menschenrechte, die
Wahl der Mittel zu ihrer Bekämpfung ist aber immer auch eine Abwägung mit den
Menschenrechten ihrer potentiellen Opfer, eine Frage der Verhältnismäßigkeit.
Terroristische Handlungen sind ihrem
Wesen nach nicht nur gemeingefährlich sondern im Regelfall auch Willkür gegen
andere Menschen. Es bleibt immer eine schwere und verantwortungsvolle
Entscheidung, mit welchen Mitteln solcher Willkür begegnet werden kann.
Unbestritten sein dürfte, dass alle Maßnahmen zur Bekämpfung terroristischer
Handlungen darauf gerichtet sein müssen, diese in einem möglichst frühen
Stadium zu unterbinden, also auch Planungen und Vorbereitungen unter Strafe zu
stellen, wie das in vielen Staaten der Welt praktiziert wird. Folgerichtig wird
jemand auch nach bundesdeutschem Strafrecht schon wegen der bloßen
Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung verurteilt, konkrete
Planungen oder Vorbereitungen einer terroristischen Handlung müssen noch nicht
einmal vorliegen oder bekannt sein.
Es ging mir bei meiner
Veröffentlichung im Internet keineswegs um die Person von Johann Burianek. An seiner Stelle hätten auch Namen von anderen in
der DDR zum Tode verurteilten KgU-Agenten, wie Wolfgang Kaiser oder Gerhard Benkowitz
stehen können. Die Arbeitsgemeinschaft 13. August hat dem Insiderkomitee zur
kritischen Aufarbeitung des MfS aber zufällig das Rehabilitationsurteil Burianeks zugesandt und damit die strittige Entgegnung
provoziert. Mir ging es also ausschließlich darum, darauf hinzuweisen, dass die
DDR, wie jeder andere Staat der Welt, ein unveräußerliches Recht hatte, sich
vor Terrorakten zu schützen. Das ist keineswegs DDR-Nostalgie, sondern höchst
aktuell bei der Bestimmung von Strategien, den Terrorismus als Geißel der
Menschheit endgültig zu besiegen.
Meine Auffassungen dazu habe ich unter dem Titel
„Denkbedarf zum Thema Terrorismus“ in engstem Zusammenhang mit den umstrittenen
Äußerungen zu Burianek auf der von mir redigierten website unter der Rubrik Terror eindeutig dargelegt.
Wörtlich: " Ein wesentlicher Aspekt scheint mir z.B., dass die Einteilung
in gute (einzelnen Staaten nützliche und von diesen geförderte) und in böse
(solchen Staaten feindlich gegenüberstehende und deshalb zu bekämpfende)
Terroristen beendet werden muss. Terror bedarf der Ächtung, gleich von welcher
Seite er ausgeht und mit welchem Ziel er ausgeführt wird.“
Die gleiche Auffassung habe ich schon 1987 auf einer
Ideenkonferenz im MfS vertreten, die von der Zentralen Auswertungs- und
Informationsgruppe (ZAIG) und der Juristischen Hochschule des MfS einberufen
worden war, um abzuklären, ob im KSZE-Prozess vertrauensbildende Maßnahmen
zwischen den feindlichen Geheimdiensten analog zu den Streitkräften (Begrenzung
von Manöverstärken, Austausch von Manöverbeobachtern, Ankündigung von Manövern
usw.) denkbar seien. Ich hatte seinerzeit vorgeschlagen, eine weltweite
Ächtung des Terrorismus nach dem Vorbild der Haager Konvention und auf einer
solchen Basis die Vereinigung der Anstrengungen der Geheimdienste zur
Bekämpfung des Terrors zu prüfen. Leider
ist die Menschheit von solchen humanistischen Zielen weiter entfernt als je
zuvor. Die Heuchelei bei diesem Thema erreicht gegenwärtig neue Höhepunkte,
z.B. wenn Kämpfer der berüchtigten Terrororganisation al-Qaida in Syrien
den „Freiheitskämpfern“, „Rebellen“ oder „Aufständischen“ zugeordnet werden.
Wer ernsthaft und ehrlich die weltweite Ächtung des
Terrorismus anstrebt, kann das nicht mit Denkverboten, ideologischen
Scheuklappen, Einschränkungen der Meinungsfreiheit oder gar durch Errichtung
eines Meinungsdiktates. Banditen müssen schon noch als Banditen, Terroristen
als Terroristen bezeichnet werden dürfen!
Die verantwortungsvollste Aufgabe, die mir in meiner
gesamten Laufbahn im MfS übertragen wurde, war der Einsatz als persönlicher
Referent des Leiters der zeitweiligen Arbeitsgruppe Ausländische
Festivalteilnehmer. Diese Arbeitsgruppe wurde im April 1973 gebildet, Anfang
September 1973 wieder aufgelöst und hatte in der Durchführungsphase der
Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 in Berlin eine Personalstärke von
mehr als 3.000 Mitarbeitern, darunter etwa die Hälfte hinzu kommandierte
Volkspolizisten. Hauptzielstellung
dieser Arbeitsgruppe war es, die ca. 24.000 ausländischen Festivalteilnehmer
vor vergleichbaren terroristischen
Anschlägen zu schützen, wie sie sich im Jahr zuvor bei der Olympiade in München
ereignet hatten. Sämtliche Führungsdokumente dieser Arbeitsgruppe wurden durch
mich persönlich im Entwurf erarbeitet, nach Diskussion im Leitungskollektiv
überarbeitet, fertiggestellt und praktisch mit umgesetzt.
Die für Terrorabwehr im MfS zuständige Abteilung, spätere
Hauptabteilung XXII, wurde übrigens erst nach 1973
gebildet. Zuständig für die Bekämpfung von Terror, also auch der KgU, war zuvor die Hauptabteilung V, die 1964 in
Hauptabteilung XX umbenannt wurde, genau jene Hauptabteilung, deren Mitarbeiter
ich von 1959 bis 1990 war.
Die Geschichte
beweist, dass das MfS die DDR, ihre Bevölkerung, ihre westdeutschen und
ausländischen Gäste wirksam und erfolgreich vor Terror geschützt hat, was man von den Geheimdiensten der alten und jetzigen BRD
so nicht behaupten kann. Vielleicht soll von solchen Tatsachen abgelenkt
werden, indem in der DDR verhinderte Terrorakte zu Aktionen von Freiheitskämpfern
uminterpretiert werden.
Der eigentliche Sinn der Anklage gegen mich scheint mir jedoch darin zu liegen, die DDR als Gewalt- und Willkürherrschaft zu diffamieren und dem faschistischen Regime in Deutschland als „ebenbürtiges Herrschaftssystem“ gleichzusetzen. Selbst wenn das ideologische Konstrukt eines menschenrechtswidrigen Willkürurteils gegen Burianek als wahr unterstellt wird, kann allein deshalb in meinem Fall noch keine Strafverfolgung von Amts wegen erfolgen. Voraussetzung dafür ist nach § 194 (2) StGB, dass der Verstorbene Opfer einer Gewalt- und Willkürherrschaft geworden ist. Die DDR muss demnach eine solche Schreckensherrschaft gewesen sein, die vergleichbar dem Hitler-Regime den Terror als Mittel des Widerstandes legitimiert hat. In der hier gebotenen Kürze darf ich Sie daran erinnern, dass die DDR keinen völkerrechtswidrigen Aggressionskrieg angezettelt und geführt hat, der am Ende etwa 50 Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Konkrete Erscheinungsformen der faschistischen Terrorherrschaft waren insbesondere:
Worin
bestand nun das angeblich damit vergleichbare Schreckensregime der DDR? Aktuell wird die Diskussion zum Thema „Unrechtsstaat DDR“
gewöhnlich mit den Totschlagargumenten „Mauer“, „Schießbefehl“ und „Stasi“
eröffnet. 1952 gab es jedoch noch keine Mauer und das MfS befand sich noch in
der Phase seines Aufbaus. Die „Stalin-Note“ vom März 1952 ließ sogar wenigstens
hypothetisch gesamtdeutsche freie Wahlen mit dem Ergebnis eines neutralen
Deutschlands nach österreichischem Vorbild zu.
Die Terrorakte
der KgU sind noch nicht einmal aus der Logik des
Kalten Krieges zu erklären, der Anfang der
50er Jahre seinen Höhepunkt erreicht hatte.
Seitens der DDR wurden keine Terrorakte in Westdeutschland, übrigens
dort auch keine Sabotageakte gegen die Volkswirtschaft inszeniert.
Es entlastet Burianek auch nicht,
dass er zunächst den „blauen Express“, den Zug von Wünsdorf
nach Moskau, also mehrheitlich sowjetische Bürger, als Ziel gewählt hatte. Vielmehr spricht das
dafür, dass er, der seinem „Führer“ bis zuletzt die Treue gehalten und 5
Minuten vor 12 noch einen Wehrmachtsdeserteur denunziert hatte, den II.
Weltkrieg immer noch gewinnen wollte. Und schließlich: wer wäre denn dem von
ihm aktiv unterstützten und glücklicherweise verhinderten Sprengstoffanschlag
auf die Eisenbahnbrücke in Spindlersfeld zum Opfer gefallen?
Im heutigen Verfahren geht es letztlich um die Darstellung
und Deutung von Geschichte, wobei die Sieger der Geschichte immer im Vorteil
sind. Schon J. W. v. Goethe wusste: „ Geschichte schreiben ist eine Art, sich
das Vergangene vom Halse zu schaffen.“
Ich kann die Staatsanwaltschaft nicht daran hindern, wenn
sie sich zum verlängerten Arm antikommunistischer Eiferer und notorischer
„Stasi“-Hasser machen und quasi per Gerichtsbeschluss die Heiligsprechung eines
Terroristen vollziehen will.
Die
geschichtliche Wahrheit bleibt nachprüfbar. Sie lässt sich auch nicht durch
Gerichtsurteile korrigieren!