BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2465/13 -
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
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des Herrn S…, |
- Bevollmächtigter:
1. Rechtsanwalt Hartmut P.
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gegen |
a) |
den Beschluss des Kammergerichts
vom 18. Juli 2013 - (3) 121 Ss 122/13 (95/13) -, |
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b) |
das Urteil des Landgerichts Berlin
vom 18. März 2013 - (574) 231 Js 2310/11 Ns (145/12) - |
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten
Kirchhof
und die Richter
Masing,
Paulus
am 24. Januar 2018 einstimmig beschlossen:
1.
Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. März 2013 -
(574) 231 Js 2310/11 Ns
(145/12) - und der Beschluss des Kammergerichts vom 18. Juli 2013 - (3) 121 Ss 122/13 (95/13) - verletzen den Beschwerdeführer in seinem
Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.
2.
Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird
zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
3.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur
Entscheidung angenommen.
4.
Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer die
notwendigen Auslagen zu erstatten.
5.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im
Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten:
fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Beschwerdeführer wendet sich mit
seiner Verfassungsbeschwerde gegen strafgerichtliche Urteile. Er wurde im
Zusammenhang mit einem auf seiner Internetseite veröffentlichten Text wegen
Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gemäß § 189 StGB verurteilt.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist Inhaber der
Website www.m...de, auf der er regelmäßig Beiträge veröffentlicht, die sich mit
vermeintlichen Missständen bei der Aufarbeitung der Diktatur der Deutschen
Demokratischen Republik (DDR) beschäftigen.
Im Oktober 2005 stellte der
Beschwerdeführer einen Beitrag über B. ins Netz, der am 25. Mai 1952 vom
Obersten Gericht der DDR unter anderem wegen „Boykotthetze“ nach Art. 6 Abs. 2
der DDR-Verfassung zum Tode verurteilt und am 2. August 1952 hingerichtet worden
war. Anlass des Beitrags war ein Rehabilitationsbeschluss des Landgerichts
Berlin vom 2. September 2005, der das Urteil des Obersten Gerichts der DDR vom
25. Mai 1952 für rechtsstaatswidrig erklärte und es aufhob.
Zu den dem B. vorgeworfenen Tathandlungen,
auf denen das Urteil des Obersten Gerichts der DDR beruhte, zählte unter
anderem, dass dieser sich am illegalen Vertrieb von „Hetzschriften“ beteiligt
habe. Er habe als Mitglied der KgU („Kampfgruppe
gegen Unmenschlichkeit“) Werksspionage betrieben. Vor Beginn der
Jugendfestspiele habe er mit seinen Mittätern „Reifentöter“ auf Berliner
Ausfallstraßen verteilt und „Stinkbomben“ in Menschenansammlungen und vor
„marschierende Kolonnen“ geworfen. Ein Brandsatz unter einer Festsäule habe
nicht gezündet, so dass das Attentat erfolglos geblieben sei. Von einem für den
21. Februar 1952 geplanten Sprengstoffanschlag auf eine Eisenbahnbrücke
habe er Abstand genommen, da ein Fluchtwagen nicht zur Verfügung gestanden
habe. Den zuvor erhaltenen Koffer mit der Sprengladung habe B. an eine andere
Bande weitergegeben und deren Mitgliedern die Handhabung der Sprengkörper
erklärt.
Der Beitrag des Beschwerdeführers war
wie folgt aufgebaut:
„Denkbedarf zum Thema Terrorismus.
BRD-Beitrag zu der von den Vereinten Nationen angestrebten weltweiten
Ächtung des Terrorismus: Legalisierung des Terrors gegen die DDR durch
Rehabilitierung des KgU-Banditen B.
Mehr zum Fall B.
Beschluss des Landgerichts Berlin vom 02.09.2005 zur Rehabilitierung des
Anführers einer terroristischen Vereinigung B. ...“
Die einzelnen Absätze enthielten jeweils
vom Beschwerdeführer erstellte Links zu weiteren Beiträgen. Einer davon enthält
Auszüge der in dem Urteil des Obersten Gerichts der DDR vom 25. Mai 1952
gegen B. und sechs andere Personen getroffenen Feststellungen. Dabei gibt der
Beschwerdeführer zum Teil wörtlich Passagen des Urteils wieder, zum Teil fasst
er die Feststellungen mit eigenen Worten zusammen.
2. Das Amtsgericht verurteilte den
Beschwerdeführer mit Urteil vom 27. September 2012 wegen Verunglimpfung des
Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen
zu je 30 €.
3. Das Landgericht verwarf die Berufung
des Beschwerdeführers nach mündlicher Verhandlung mit angegriffenem Urteil vom
18. März 2013.
Der Beschwerdeführer habe sich der
Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach § 189 StGB schuldig gemacht.
Dazu sei eine Verleumdung immer, eine üble Nachrede, wenn sie einiges Gewicht
habe, eine einfache Beleidigung aber nur dann ausreichend, wenn sie unter
gravierenden Begleitumständen erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe den
Verstorbenen gerade im Zusammenhang mit seiner Rehabilitierung als „Banditen“
und „Anführer einer terroristischen Vereinigung“ bezeichnet und ihn damit auf
einen bloßen Straftäter reduziert, ohne auf seine Beweggründe und Ziele
einzugehen. Bei den Äußerungen handele es sich nicht um Tatsachenbehauptungen,
sondern um Werturteile. Schwerpunkt seiner Äußerung sei gewesen, dem Verhalten
des Verstorbenen einen Makel zu verpassen. Der Beschwerdeführer habe damit die
Ehre des B. durch vorsätzliche Kundgabe der Nicht- und Missachtung angegriffen.
Auch wenn der Beschwerdeführer den Verstorbenen nicht direkt als verurteilten
Täter bezeichne, komme in seinen weiteren Äußerungen zum Ausdruck, dass er das
Urteil des Obersten Gerichts der DDR nicht nur für moralisch gerechtfertigt,
sondern auch für rechtsstaatskonform halte, denn er merke mit dem Obersten
Gericht in Bezug auf B. an, dass niemals ein „so skrupelloser und gefährlicher
Verbrecher“ zur Aburteilung gestanden habe. Mit seinen Äußerungen leugne er
implizit die Rehabilitierung des Verstorbenen und verletze damit dessen Würde
in erheblicher Weise beziehungsweise verfälsche dessen ehrrelevantes Persönlichkeitsbild
in der Öffentlichkeit.
Die Äußerungen des Beschwerdeführers
seien auch nicht nach § 193 StGB gerechtfertigt. Bei dem in dieser Bestimmung
enthaltenen Rechtfertigungsgrund handele es sich um eine besondere Ausprägung
des in Art. 5 Abs. 1 GG normierten Grundrechts der freien Meinungsäußerung.
Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Ausmaß des Schutzes des Art. 5 Abs.
1 GG vom Zweck der Meinungsäußerung abhänge. Beziehe sie sich auf eine die
Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage, so sei sie stärker geschützt als
eine Äußerung, die lediglich der Verfolgung privater Interessen diene. Es liege
zwar keine bloße Schmähkritik vor, da der Beschwerdeführer mit seiner
Berichterstattung über das Rehabilitationsverfahren das allgemeine Interesse verfolge,
auf seiner Meinung nach bestehende Missstände in der Aufarbeitung der
DDR-Diktatur hinzuweisen. Die Verunglimpfung des Verstorbenen sei jedoch kein
angemessenes Mittel zur Wahrnehmung der Interessen des Beschwerdeführers, da
sie nicht in einem vertretbaren Verhältnis zum Gewicht des vom Beschwerdeführer
verfolgten Interesses stehe. Der Täter müsse grundsätzlich das ihm zumutbar
schonendste Mittel wählen. Im Bereich der politischen
Auseinandersetzung - wozu auch die vorliegend geführte Auseinandersetzung
um die historische Wahrheit zähle - müssten zwar auch einprägsame und
drastische Formulierungen hingenommen werden. Die bloße Bezeichnung als
„Bandit“ beziehungsweise „Anführer einer terroristischen Vereinigung“ sei
jedoch ein Makel, der die Wertung des in Art. 20 Abs. 4 GG normierten
Widerstandsrechts in dem Persönlichkeitsbild des Betroffenen völlig außen vor
lasse und die Veröffentlichung der Äußerung zu einem nicht von Art. 5 GG
geschützten Wertungsexzess mache, so dass im Ergebnis der Schutz vor Verunglimpfung
den Interessen des Beschwerdeführers vorgehe.
4. Das Kammergericht verwarf die
Revision des Beschwerdeführers mit angegriffenem Beschluss vom 18. Juli 2013
ohne weitere Begründung.
5. Mit der Verfassungsbeschwerde vom 26.
August 2013 wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidungen des
Landgerichts und des Kammergerichts und rügt - unter anderem - die Verletzung
seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG.
6. Der Berliner Senatsverwaltung für
Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung wurde Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem
Bundesverfassungsgericht vor.
II.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, durch
das angegriffene Urteil des Landgerichts und den angegriffenen Beschluss des
Kammergerichts in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1
GG verletzt zu sein, nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde zur
Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1
BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2
Buchstabe b BVerfGG).
1. Die Voraussetzungen für eine
stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1
BVerfGG). Insbesondere ist die für die Entscheidung maßgebliche
verfassungsrechtliche Frage der Reichweite von Art. 5
Abs. 1 Satz 1 GG bei der strafrechtlichen Beurteilung von
Meinungsäußerungen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 7, 198
<207 ff.>; 61, 1 <7 ff.>; 90, 1 <14 ff.>; 90,
241 <246 ff.>; 93, 266 <289 ff.>; 124, 300
<320 ff.>).
2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde
ist danach im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG
offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den
Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5
Abs. 1 Satz 1 GG.
a) Die inkriminierten Äußerungen fallen
in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit. Sie sind durch
Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte Äußerungen und deshalb
als Werturteile anzusehen (vgl. BVerfGE 7, 198 <210>; 61, 1 <8>;
90, 241 <247>). Der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist dabei
unabhängig davon eröffnet, ob die Äußerungen sich als wahr oder unwahr
erweisen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational sind (vgl.
BVerfGE 90, 241 <247>; 124, 300 <320>).
b) Das Grundrecht der Meinungsfreiheit
gilt allerdings nicht vorbehaltlos, sondern findet nach Art. 5 Abs. 2 GG
seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch der
der vorliegenden Verurteilung zugrunde liegende
§ 189 StGB gehört. Auslegung und Anwendung der Strafvorschriften ist
grundsätzlich Sache der Strafgerichte. Das Bundesverfassungsgericht ist auf die
Klärung beschränkt, ob das Strafgericht die wertsetzende Bedeutung des
Grundrechts verkannt hat (vgl. BVerfGE 7, 198 <208 f.>; 93, 266
<292>; stRspr). Steht ein Äußerungsdelikt in
Frage, so verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG eine Gewichtung der
Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und
dem geschützten Rechtsgut andererseits droht (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>;
93, 266 <293>; stRspr). Wird von dem Grundrecht
nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzung Gebrauch gemacht, sondern will der
Äußernde in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, dann
sind die Auswirkungen seiner Äußerungen auf den Rechtskreis Dritter zwar
unvermeidliche Folge, aber nicht eigentliches Ziel der Äußerung. Der Schutz des
betroffenen Rechtsguts tritt umso mehr zurück, je weniger es sich um eine
unmittelbar gegen dieses Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten Bereich in
Verfolgung eigennütziger Ziele handelt, sondern um einen Beitrag zu einer die
Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage (vgl. BVerfGE 61, 1 <11>).
Bei Äußerungsdelikten kann eine
Verletzung spezifischen Verfassungsrechts auch dadurch begründet sein, dass der
Sinn der Äußerung nicht zutreffend erfasst worden ist
(vgl. BVerfGE 93, 266 <295 f.>; 94, 1 <9>). Zu den
verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der Deutung einer Äußerung gehört,
dass sie unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt und ihr kein Sinn
zugemessen wird, den sie objektiv nicht haben kann. Bei mehrdeutigen Äußerungen
müssen andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden,
bevor man die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde legt (vgl. BVerfGE
93, 266 <295 f.>; 82, 43 <52>).
Geschützt ist bei Verstorbenen zum einen
der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins
zusteht. Dieser Schutz bewahrt den Verstorbenen insbesondere davor,
herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden (vgl. BVerfGE 30, 173 <194>).
Schutz genießt aber auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den
die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass das Schutzbedürfnis des Verstorbenen in dem Maße
schwindet, in dem die Erinnerung an ihn verblasst, so dass im Laufe der Zeit
auch das Interesse an der Nichtverfälschung des Lebensbildes abnimmt (vgl.
BVerfGE 30, 173 <196>). Unabhängig von der Frage, wie weit der
Achtungsanspruch Verstorbener im Einzelfall geht, reicht er jedenfalls nicht
weiter als der Ehrschutz lebender Personen.
c) Diesen verfassungsrechtlichen
Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht.
Das Landgericht sieht den Schwerpunkt
der Äußerung des Beschwerdeführers darin, dem Verhalten des verstorbenen B.
einen Makel zu verpassen. Damit misst es dem Kontext der Äußerungen kein
hinreichendes Gewicht zu.
Das mit der Webseite verfolgte Anliegen
des Beschwerdeführers ist eine Kritik an der Bundesrepublik, deren Umgang mit
der DDR-Vergangenheit er für einseitig hält. Ausgehend von den Tatvorwürfen,
wegen derer der verstorbene B. von dem obersten Gericht der DDR verurteilt
wurde, bewertet der Beschwerdeführer die Handlungen des B. als Straftaten und
behauptet, die DDR habe ein legitimes Interesse an der Verfolgung dieser Taten
gehabt, weshalb man den Verurteilten nicht nachträglich durch die
Rehabilitationsentscheidung als Held ehren dürfe. Diese Äußerung zielt in ihrem
Schwerpunkt nicht oder jedenfalls nicht nur darauf, den Verstorbenen als Person
verächtlich zu machen, sondern auch darauf, einen nach Ansicht des
Beschwerdeführers aus politischer Voreingenommenheit doppelbödigen Umgang mit
der DDR-Vergangenheit und dem gegen sie gerichteten Widerstand anzuprangern.
Eine solche Meinungsäußerung ist von
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich gedeckt. Ob diese Sichtweise sachlich in
irgendeiner Weise vertretbar oder sie von vorneherein unberechtigt ist, spielt
für den Schutz der Meinungsfreiheit keine Rolle. Daran ändert auch nichts, dass
das vom Beschwerdeführer in Bezug genommene Urteil, wie das Landgericht
darlegt, grob rechtsstaatswidrig und unangemessen hart war und der
Beschwerdeführer die deswegen ausgesprochene Rehabilitierung des verstorbenen
B. in Frage stellt. Der Beschwerdeführer ist in Anerkennung seiner
Meinungsfreiheit nicht verpflichtet, die Richtigkeit dieser
Rehabilitierungsmaßnahme anzuerkennen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts
ist er auch nicht verpflichtet, die Handlungen des verstorbenen B. unter dem
Gesichtspunkt zu würdigen, dass in ihnen ein Beitrag zum Widerstand gegen die
DDR-Diktatur lag. Der Beschwerdeführer kritisiert die Rehabilitierung des B.,
weil gegen diesen Vorwürfe erhoben worden waren wie
die Planung von Brandsatz- und Sprengstoffanschlägen. Dass der Beschwerdeführer
davon ausgehen musste, dass diese Vorwürfe von vorneherein unwahr oder
unberechtigt waren, legt weder das Landgericht dar, noch ist dies sonst
ersichtlich.
Die auf den Umgang mit der
DDR-Vergangenheit zielende Kritik ist bei der Beurteilung des Gewichts der
Ehrbeeinträchtigung des Verstorbenen maßgeblich in Rechnung zu stellen. Dabei
zielt der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf den Schutz eines
fortwirkenden Geltungsanspruchs der Person, nicht aber auf eine ausgewogene
politische Bewertung historischer Handlungen als solcher. Insoweit ist auch zu
berücksichtigen, dass die Herabsetzung nach 60 Jahren Herrn B. im Wesentlichen
nur noch als historische Figur betrifft. Wieweit das postmortale allgemeine Persönlichkeitsrecht
unter diesen Umständen eine Auseinandersetzung mit den genaueren Motiven und
Umständen der Tat, wie hier dem Ziel des Verstorbenen, für eine freie
Gesellschaftsordnung zu kämpfen, erforderlich macht, haben die Fachgerichte
nicht näher erwogen und in ihrer Abwägung nicht berücksichtigt. Dass der
Verstorbene in erheblichem Umfang noch als individualisierte Person in der
Öffentlichkeit oder durch ihn persönlich verbundene Angehörige und Freunde
präsent ist und daraus noch einen besonders gewichtigen personalisierten
Geltungsanspruch ableiten kann, ergibt sich aus dem landgerichtlichen Urteil
nicht.
Indem das Landgericht den politischen
Kontext bei der Deutung der Äußerungen nicht hinreichend berücksichtigt und das
entgegenstehende Gewicht des Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen
unzutreffend gewichtet hat, genügt die Entscheidung den Anforderungen des Art.
5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht.
d) Da das Kammergericht die Revision als
offensichtlich unbegründet erachtet hat, leidet seine Entscheidung an denselben
Mängeln wie das Urteil des Landgerichts.
3. Die angegriffenen Entscheidungen
beruhen auf der Verkennung der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf
Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass
das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der
Sache kommen wird.
4. Im Übrigen wird die
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer Begründung
wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
5. Die Entscheidung über die
Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des
Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in
Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE
79, 365 <366 ff.>).
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