Auch für Antikommunisten gilt: Lügen
haben kurze Beine.
In TABULARASA, der
„Kulturzeitung aus Mitteldeutschland“ Nr. 58 steht ein Artikel von Jörg
Bernhard Bilke „Die „Volkspolizei“ und die DDR-Zuchthäuser -
Dieter Winderlichs „humaner Strafvollzug.“ Nach dieser Überschrift gleich ein großes Lob
für mich: „Dieter Winderlich
war begeisterter „Volkspolizist“ der ersten Stunde und eingefleischter
Marxist-Leninist. Beide Überzeugungen vertritt der ehemalige Generalmajor und, nach Karl Maron
und Friedrich Dickel, letzte Anführer der „Deutschen Volkspolizei“ noch heute.“
Leider war es mir, wegen der späten Geburt, nicht vergönnt, zu den
Volkspolizisten der ersten Stunde zu gehören. Wie viele andere Menschen auch,
freut man sich über ein Lob. Das spornt an. Allerdings auf das Lob dieses Herrn
verzichte ich gerne. Ich lege keinen Wert auf die Meinung von Menschen, die
seit über 14 Jahren für die „Junge Freiheit“ schreiben, einem Blatt der rechten
Ecke. Auch bei Veröffentlichungen von Heimatvertriebenen und Opferverbänden
kann man so einiges lesen, was zum Kopfschütteln führt.
Erfreulich ist,
dass Herr Bilke den „RotFuchs“ liest. In seinem o. g. Artikel macht er den
kläglichen Versuch, meinen Artikel zum 45. Jahrestag der Deutschen Volkspolizei
und den in Nr. 145 „Was geschah in Hoheneck?“ zu widerlegen. Nun hat Herr B.
aber keine Fakten oder Beweise. Was tun? Er greift zu den üblichen Praktiken:
Anzweifeln mit böswilligen Worten und Fälschungen. Wo ihm Fakten fehlen,
reichen ihm als Ersatz Anführungszeichen:
„Dort schwärmte er von der „antifaschistischen Polizei
des Volkes“, in der „junge Arbeiter und Bauern“ gedient hätten. Dass diese
Polizeitruppe von
80 000 Mann
auch eine gut ausgerüstete Bürgerkriegsarmee war, um Aufstände und Unruhen bei
wachsender Unzufriedenheit des hinter der Mauer eingesperrten „Volkes“
niederzukämpfen, schreibt er nicht.“
Wenn man an die
Polizeieinsätze in Heiligendamm, Stuttgart und im Wendland denkt, dann sind wir
nach Herrn B.s Wortwahl im Bürgerkrieg.
Im Artikel über Hoheneck habe
ich zur Verpflegung und Versorgung der Gefangenen aus einem Buch einer
politischen Gefangenen zitiert. Diese sachliche und objektive Schilderung
seiner „Leidensgenossin“ kann Herr B. ja nicht so einfach leugnen, wie meine
Aussagen. Der Ausweg: Falschaussage.
„Ein Buch freilich, so scheint es, hat er gelesen. Es
trägt den Titel „Die bröckelnde Festung“ (2002) und wurde geschrieben von der
Erfurter Autorin Gabriele Stötzer, Jahrgang 1953, die 1988/89 ein Jahr gesessen
hat wegen „Staatsverleumdung“, davon sieben Monate in Hoheneck. Sofort nach der
Haftentlassung 1989 ist sie nach Ostberlin zu Christa Wolf gefahren, wo sie..“
Und zu den guten Zuständen bei
Versorgung und Verpflegung der Gefangenen resümiert er: „ Es mag sein, dass es im letzten DDR-Jahr, als der Untergang des
Sozialismus absehbar war, solche Dinge gegeben hat.“
Worin liegt die Fälschung?
Der Herr B. verlegt die Haftzeit von Gabriele Stötzer von 1977/78 einfach 10
Jahre nach hinten und schon glaubt er den Lesern weiß
machen zu können, dass es trotz guter Bewertungen in Hoheneck miserabel
war. Und gleich stürzen sich in den verschiedensten Internetforen die Gegner
der DDR auf diese Falschaussage und debattieren stundenlang, dass es eine
solche Versorgung, wie sie Gabriele Stötzer beschreibt, in den Jahren vor 1988
nicht gegeben hat.
Es sind bei den
Antikommunisten und Gegnern der DDR immer die kleinen, fast nebensächlich
erscheinenden Angaben und Bemerkungen, die den wahren Charakter und die
Absichten der Schreiber erkennen lassen.
Um die Bedingungen im
Strafvollzug der DDR ins schlechte Licht zu rücken, bedienen sich manche
Selektivhistoriker und Opfervereine seltsamer Forschungsmethoden. Sie befragen
nur „politische“ Gefangene und ignorieren die Meinung der normalen
Strafgefangenen. Im Strafvollzug der DDR ehemals Beschäftigte oder Arbeiter der
Arbeitseinsatzbetriebe werden nicht gehört. So bekommt man natürlich erwünschte
Ergebnisse und verkauft die als objektiv und wissenschaftlich. So geschehen z.
B. bei der Beurteilung der Haftsituation in der Strafvollzugseinrichtung
Cottbus.
In einem Buch von
Herrn Hofmann, Journalisten der“
SuperIllu“, liest man zum Thema Verpflegungsversorgung Gefangener
„Der ursprüngliche Verpflegungssatz der Häftlinge
wurde zwar Anfang Dezember 1989 von 1,10 DDR-Mark auf 3,50 und ab 4. Juli auf 4
DM erhöht, aber das reichte noch längst nicht aus, um eine menschenwürdige
Verpflegung zu gewährleisten.“
Ist dies nicht ein Beweis für
die Zweifel des Herrn Bilke an den Schilderungen über Hoheneck? Mit 1,10 Mark
kann kein gutes Essen verabreicht werden.
Aber auch hier bedient sich
der Verfasser einer bodenlosen Lüge.
Tatsache ist, dass die
Grundnorm seit 1979 2,40 Mark der DDR betrug (Ordnung Nr. 0103/77 des Ministers
des Innern und Chefs der DVP/Teil D in der Fassung vom 28. September 1979).
Es gab nicht den Verpflegungssatz für
Inhaftierte, sondern mehrere Arten von Verpflegungssätzen, so z. B. für nicht
arbeitende Inhaftierte (Grundnorm), für arbeitende Inhaftierte, für
schwerstarbeitende Inhaftierte, für Inhaftierte in medizinischen Einrichtungen
des Strafvollzuges und für schwerstkranke Inhaftierte. Im o. g. Dokument
beträgt die Grundnorm 2,40 Mark der DDR, die Zulage für arbeitende Inhaftierte
0,45 Mark, für schwerstarbeitende 1,00 Mark
und für Strafgefangene mit religiöser Ernährung 1,20 Mark der DDR. Um es
noch mal zu verdeutlichen: Ein Gefangener, der Schwerstarbeit verrichtete hatte
einen Verpflegungssatz von 3,40 M und ein Moslem oder Jude 3,60 M und dies
schon seit 1979! Denen, die der DDR immer eine Benachteiligung religiöser
Menschen ins Stammbuch schreiben, kann ich nur sagen, dass es so eine
großzügige finanzielle Reglung bei der Verpflegung im Strafvollzug der BRD
nicht gibt.
Die nächste Erhöhung der
Verpflegungssätze für Inhaftierte erfolgte im Bereich MdI zum 1. Januar 1990
und im Bereich des MfS bereits 1987. („Reglung der Verpflegungsversorgung für
Verhaftete und Strafgefangenen in den UHA des MfS“ vom 1987).
Wenn es im Strafvollzug der
DDR keine menschenwürdige Verpflegung gab, was gab es dann? Gab es Schweinefraß, Hundefutter, Abfälle
oder mussten die Gefangenen Gammelfleisch und dioxinverseuchte Nahrung zu sich
nehmen?
Um
die Verpflegungssätze für Gefangene in der DDR und heute nach ihrer Kaufkraft
bewerten zu können, fehlen konkrete Zahlen. Jedes Bundesland hat seine eigenen
Festlegungen und Gesamtbewertungen fehlen. Zugänglich waren mir Zahlen aus
Bayern. Dort betrug der Verpflegungssatz 2010 2,19 €. Schauen wir beispielhaft
hin, was pro Gefangenen verabreicht werden konnte:
DDR
1989 Bayern
2010
Preise Mark DDR Preise
in €
500 g Roggenbrot 0,31 1,20
100 g Schweinefleisch 0,75 0,61
100 g Jagdwurst 0,68 0,60
50 g Margarine 0,20 0,14
100 g Zucker 0,15 0,07
100 g Nährmittel 0,15 0,09
-------------------------------------------------------------------------------------------------
2,24 Mark 2,71 Euro
Da der Verpflegungssatz in Bayern
von 2,19 € überschritten ist, beende ich die beispielhafte Aufzählung. Wie man
sieht, gibt es kaum Unterschiede. Diese Zahlengegenüberstellung geht natürlich
an den tatsächlichen Verhältnissen etwas vorbei. Ich habe die Position Butter
weggelassen, weil in Bayern für Gefangene mit Normalkost keine Butter
vorgesehen ist. Beachtet werden muss auch, dass die eigentliche Kaufkraft
beider Verpflegungssätze wesentlich
höher ist, da die Vollzugseinrichtungen nur Großhandelspreise bezahlen, Rabatte
erhalten und durch eigene Veredlung Geld sparen.
Bei der Bewertung der
Verpflegungsversorgung der Inhaftierten in der DDR muss beachtet werden, dass
in der Regel kaum einem Gefangenen durchgehend nur die Grundnorm zustand, da
sie ja alle arbeiteten.
Die 1.
Durchführungsbestimmung zum Strafvollzugsgesetz der DDR bestimmte in § 54:
„(1)Die Gemeinschaftsverpflegung für Strafgefangene
besteht aus mindestens 3 Mahlzeiten, von denen eine als warme Mahlzeit zu
verabreichen ist.(2) Im Drei- und durchgehenden Schichtsystem arbeitende
Strafgefangene erhalten während jeder Nachtschicht zusätzlich zu der in Absatz
1 genannten Verpflegung eine warme Mahlzeit.
(3)Die außerhalb von Strafvollzugseinrichtungen und
Jugendhäusern in Arbeitseinsatzbetrieben oder gleichgestellten Einrichtungen
zur Arbeit eingesetzten Strafgefangenen bzw. in der Berufsausbildung befindlichen
Jugendlichen erhalten an allen Arbeitstagen Werkküchenessen.“
Die
Strafvollzugseinrichtungen verabreichten das Essen in einem ordentlichen
Zustand. Dies bedeutet nicht, dass es in Einzelfällen auch Mängel gab.
Schließlich bestand das Küchenpersonals
aus Gefangenen, die sich große Mühe gaben, aber nicht immer die geforderte
Qualifikation hatten. Das Mittagessen wurde
täglich vom Leiter der Vollzugseinrichtung oder dem Leitungsdienst
probiert und das Ergebnis dokumentiert. Eine Portion jeder Mahlzeit wurde aus
Gründen des Gesundheitsschutzes 24 Stunden gekühlt aufgehoben. In jeder
Einrichtung gab es eine Küchenkommission der Gefangenen, die auf die Gestaltung
des Speiseplanes Einfluss nahm. Der medizinische Dienst überprüfte regelmäßig
die Einhaltung der Hygienevorschriften. Große Einrichtungen, wie Brandenburg u.
a. hatten eine eigene Bäckerei, Fleischerei und Gärtnerei. Man kaufte kein
Brot, keine Wurst und weniger Gemüse und sparte Geld für andere Nahrungsmittel.
Viele Volkseigene Betriebe, in denen Strafgefangene arbeiteten, gaben direkt im
Betrieb ein kostenloses Mittagessen aus, was sie aus dem Sozialfond
finanzierten. Wenn die Planerfüllung in Gefahr war, wurden auch die Gefangenen
bei Sonderschichten mit einem besonders gutem Essen bei Laune gehalten.
Wie im zivilen Leben auch, so
gingen die persönlichen Wertungen der Gefangenen über die Qualität des Essens
auseinander. Aber menschen-
unwürdig empfand niemand die
Versorgung im Strafvollzug. Natürlich gab es auch Versuche von Gefangenen, den Strafvollzug
mit Manipulationen am Essen und falschen Behauptungen in Misskredit zu bringen.
In der Einrichtung Berlin-Rummelsburg z.
B. fand ein Gefangener angeblich Rattenfleisch in der Suppe und es gab ein
mächtiges Geschrei. Die Fleischprobe wurde zur Begutachtung ins
Kriminalistische Institut geschickt und entpuppte sich als ein Stück Fleisch
vom Rüssel eines Schweins, an dem noch ein paar längere Haare wuchsen. Das
Beispiel zeigt, jeder Beschwerde wurde nachgegangen.
In der DDR inhaftierte
ausländische Staatsbürger, darunter auch die aus der BRD, wurden von den
diplomatischen Vertretungen ihrer Heimatländer regelmäßig besucht und betreut.
Zur Verpflegungsversorgung gab es keine Beschwerden. Aber dies interessiert
Antikommunisten ja sowieso nicht.
Dieter Winderlich
Nachtrag:
Als Insiderkomitee freuen wir uns immer wieder, wenn veröffentlichte Beiträge aufmerksam studiert werden, umso mehr, wenn sie dazu führen, irrige Meinungen zu korrigieren.
So sah sich Herrn Bilke zu dem
Eingeständnis veranlasst:
„Dass
ich die Haftzeit Gabriele Stötzers im Zuchthaus Hoheneck um zehn Jahre aufs
absehbare Ende der DDR vorverlegt habe, gebe ich zu. Ich konnte mir einfach
nicht vorstellen, dass 1978/79 dort derart paradiesische Zustände geherrscht
haben sollen, wie sie es in ihrem Buch „Die bröckelnde Festung“ (2002)
beschreibt.“
Er ringt sich sogar zu
der Feststellung
Wo er aber Recht hat, hat er Recht: "Während meiner Zeit in Waldheim 1962/64 hat sich nie ein Vertreter der Bundesregierung in Bonn bei mir blicken lassen, bei anderen westdeutschen Häftlingen auch nicht." Solche Besuche wurden erst nach der diplomatischen Anerkennung der DDR Anfang der 70er Jahre möglich.