Beitrag von Kurt Stankewitz, Vorsitzender der Territorialen Arbeitsgruppe Berlin-Lichtenberg der Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung (GRH) e. V. auf der Sitzung der BVV Berlin-Lichtenberg am 26. 04. 2006
Sehr geehrte Abgeordnete, meine Damen und Herren,
gestatten Sie mir, in aller Kürze, die Positionen der Gesellschaft zur
rechtlichen und humanitären Unterstützung e. V. (GRH) Berlin-Lichtenberg, deren
Vorsitzender ich bin, zu der heute hier debattierten Erklärung „Die BVV stellt
sich der Geschichte" darzulegen.
1. Auch die GRH Lichtenberg stellt
sich der Geschichte. Unsere Mitglieder beteiligen sich in vielfältiger Weise,
ehrlich, vielseitig und sachlich an den Diskussionen über Geschichte und
Verantwortung - allerdings beider deutscher Staaten - während des Kalten Krieges und
der von 1945 bis 1989 anhaltenden Blockkonfrontation der Großmächte und ihrer
Verbündeten. Bekannte Persönlichkeiten, die auch Mitglied unserer Gesellschaft sind,
aus allen gesellschaftlichen Bereichen der DDR, Wissenschaftler, Politiker,
Künstler, Juristen, Militärs und ehemalige Angehörige des MfS/AfNS leisten
dabei als Zeitzeugen einen nicht geringen, aus unserer Sicht unverzichtbaren
Beitrag. Ich gehe davon aus, daß Ihnen die diesbezüglichen Publikationen,
Veröffentlichungen
und Stellungnahmen bekannt sind.
2. Wir wenden uns vor allem gegen die
vom Zeitgeist bestimmte Geschichtsklitterung der DDR und ihrer
Sicherheitspolitik, insbesondere gegen die verfälschende Gedenkstättenkultur
in Hohenschönhausen.
BVV-Vorsteher Bosse: „Herr Stankewitz, wenn Sie so
weitermachen, entziehe ich Ihnen das Wort." (Wiedergabe nach
Mitschrift eines teilnehmenden Gastes)
Die dort erfolgte einseitige
Geschichtsdarstellung mit dem Ziel, der von Kinkel geforderten Delegitimierung
der DDR Rechnung zu tragen, lehnen wir ab. Wir wenden uns mit aller
Entschiedenheit gegen die Verteufelung der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt des MfS als
Ort des Terrors, der Folterung und des Mordens.
Die letzten Worte des Redners gehen im lauten Geschrei
von CDU-Abgeordneten und Gästen unter. Die CDU-Fraktion verläßt mit
drastischen Beschimpfungen den Raum.
Wie Sie, verehrte Abgeordnete, sehr wohl
wissen, waren die Insassen der UHA vor allem Rechtsbrecher, die Gesetze der DDR
verletzt haben, und es waren Nazi- und Kriegsverbrecher, die ...
BVV-Vorsteher Bosse: „Das geht zu weit. Sie erklären
etwas, was hier nicht erklärt werden darf. Das ist eine Verhöhnung der Opfer.
Ich entziehe Ihnen das Wort. "
Im folgenden der
Text der Erklärung, der nicht mehr vorgetragen werden konnte:
... die, dort in Untersuchungshaft saßen. Wir
verkennen nicht, daß es unter den Bedingungen des Kalten Krieges dabei auch Überspitzungen
gegeben hat. Wie Sie sicherlich auch wissen, haben die ca. 30.000
Ermittlungsverfahren, die im Rahmen der politischen Strafverfolgung durch die Justiz
der BRD nach 1990 gegen Mitarbeiter des MfS/AfNS angestrengt worden sind, keinen Beleg, keinerlei
gerichtsverwertbaren Beweis für Terror, Folter oder Mord in den Haftanstalten
des MfS geliefert und kein Mitarbeiter des MfS konnte trotz Sonderregelungen der
Justiz bestraft werden.
Die Existenz, der Ausbau
und die Erweiterung der Gedenkstätte richtet sich zwar gegen das MfS und seine
Mitarbeiter, dient funktionell aber in erster Linie dazu, die DDR, ihren
Sozialismusversuch, mit der faschistischen, verbrecherischen Nazidiktatur
gleichzusetzen und die über 40-jährige „Schreckensherrschaft des
SED-Regimes" darzustellen. Die DDR und der Sozialismus sollen national und
international als inhumanes und totalitäres System für alle Zukunft
diskreditiert werden. Der Hauptstoß richtet sich auch gegen die Linken in
Deutschland, die für die Bündelung ihrer Kräfte, für gesellschaftliche Veränderungen, gegen
das kapitalistisch-imperialistische System der BRD eintreten und sich zu einem
demokratischen Sozialismus bekennen.
3. Wir treten ein für die Auflösung aller Einrichtungen und
Institutionen, die noch vom Geist des Kalten Krieges, von Hetze, Haß, Rache und Vergeltung
geprägt sind und wirkliche Fortschritte bei der Herstellung der inneren Einheil
verhindern. Das trifft insbesondere für die sogenannten Forschungs- und
Gedenkstätten zu, u.a. auch für die ehemalige Untersuchungshaftanstalt in
Hohenschönhausen. Das sind Forderungen der GRH, vorgebracht auf dem Kolloquium
des Kuratoriums Ostdeutscher Verbände im September vergangenen Jahres und
gerichtet an die Politiker und Parteien der BRD.
Wir fügen hinzu: Lichtenberg braucht kein Zentrum des
Antikommunismus. Lichtenberg braucht kein Gruselkabinett. Wir erstreben die
Erarbeitung und Vermittlung eines Geschichtsbildes, das den tatsächlichen
historischen Prozessen entspricht. Im Mittelpunkt dieses wissenschaftlichen
Anspruchs muß das Wirken beider deutscher Staaten als Teil der Blockauseinandersetzung während des
Kalten Krieges stehen. Und es müssen Lehren für ein friedliches, demokratisches
und soziales Deutschland gezogen werden.
3. Ich komme zum Schluß. Wir Mitglieder der GRH Lichtenberg werden auch
künftig jegliche Hetze und Verleumdung der DDR
und die damit verbundene Diskriminierung der Mitglieder unserer
Gesellschaft mit all unseren Möglichkeiten sachlich und entschieden
zurückweisen. Wir sind bereit, an einer wahrheitsgemäßen und würdigen
Geschichtsdarstellung auch weiterhin mitzuwirken.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.