jungeWelt
17.02.2007 / Abgeschrieben / Seite 8
Offener Brief an Marcel Reich-Ranicki
Zur Verleihung der Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität Berlin an Marcel Reich-Ranicki am Freitag erreichte uns ein offener Brief an den Literaturkritiker, den der Berliner Mario Arndt im Namen einer Recherchegruppe unterzeichnete. Darin heißt es u. a.:
Sollten Sie diese Ehrung annehmen, dann würden Sie sich von einer Einrichtung dekorieren lassen, die es bald nach der gesellschaftlichen Wende in Deutschland für opportun hielt, einem ehemaligen hohen Offizier der SS eben dieselbe Würde zu verleihen, weil er » ...als Mensch Vorbild für alle heranwachsenden Wissenschaftler ist...«, wie es in der Laudatio dazu hieß. Seine Vergangenheit hatte dieser »ehrenhafte Mann« und Träger des Bundesverdienstkreuzes tunlichst verschwiegen.
Die Rede ist von dem inzwischen verstorbenen Nationalökonomen Professor Wilhelm Krelle. Dieser war- nach langer Zugehörigkeit zur faschistischen Wehrmacht und einer raschen Karriere dort - von Anfang Januar 1945 bis Kriegsende als SS-Sturmbannführer Angehöriger der Waffen-SS sowie 1. Generalstabsoffizier der berüchtigten 17. SS-Panzergrenadier-Division »Götz von Berlichingen«. Anhand zahlreicher Dokumente aus dieser Zeit kann belegt werden, daß er ein glühender Verfechter des faschistischen Gedankengutes gewesen ist, der seinem »Führer« bis fünf Minuten nach zwölf die absolute Treue gehalten hat. Aus von ihm erarbeiteten Befehlen ist das eindeutig ersichtlich. So heißt es z. B. in einem Befehl vom 4. Februar 1945 u.a.: »Der Grundsatz: Fanatischer Kampf um jeden Meter unseres Heimatbodens, der dem Feind Ströme von Blut kostet, ... muß für uns heiligste Verpflichtung sein ...« Am 9. Februar 1945 weist er an: » ... Alle übrigen Soldaten, die die HKL vorwärts überschreiten, werden erschossen ...« (...) Noch »in letzter Minute« wurden durch diese Division, deren »l A« Krelle gewesen ist, zahlreiche Verbrechen begangen, die er in seiner Funktion mit zu verantworten hatte. Einige davon waren nach dem Ende des Krieges Gegenstand gerichtlicher Untersuchungen, z. B.:
7. April 1945, Dalkingen/Deutschland: Erschießung von acht erschöpften KZ-Häftlingen, die bei einem Häftlingstransport auf dem Bahnhof Ellwangen zurückgeblieben waren. Verhandelt vor Landgericht Ellwangen, Oktober 1950
S.April 1945, Ebrantshausen/Deutschland: Erschießung eines Zivilisten, der eine weiße Fahne hatte bereitstellen lassen, um sie bei Ankunft der Amerikaner auf der Kirche zu hissen. Verhandelt vor Landgericht Landshut, September 1950
17. April 1945, Burgthann/Deutschland: Erschießung des Bürgermeisters von Burgthann, der auf Aufforderung der Amerikaner eine weiße Fahne hatte hissen lassen. Verhandelt vor Landgericht Nürnberg, Oktober 1958
25. April
1945, Dietfurt (Mittelfranken)/Deutschland: Erschießung eines jüdischen Dentisten. Verhandelt vor Landgericht
Regensburg, Mai 1952
(…)
Wir sind eine Gruppe, bestehend aus Historikern, Rechercheuren u.a. Interessierten, die über viele Jahre die Geschichte des SS-Sturmbannführers Krelle aufgearbeitet haben. Unsere Rechercheergebnisse stellen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.