junge Welt, 15.03.2010

 


»Westliche Agenten wurden ausgezeichnet«

»Kundschafter des Friedens« wehren sich gegen juristische Ungleichbehandlung ost- und westdeutscher Geheimdiensttätigkeit. Ein Gespräch mit Dieter Popp

Lenny Reimann

Dieter Popp ist Vorsitzender der »Initiativgruppe »Kundschafter des Friedens- fordern Recht«

Ihre Organisation besteht heute 15 Jahre. Warum genau wurde sie gegründet?

Am 15. März 1995 traf sich eine Reihe von Kundschaftern der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA, der DDR-Auslandsgeheimdienst - Anm. d. Red.), die bereits aus der Strafhaft entlassen worden waren, anläßlich einer Anhörung zum sogenannten Strafverfolgungsbeendigungsgesetz im Berliner Abgeordnetenhaus. Der Gesetzentwurf wurde von der damaligen PDS zur Einbringung in den Bundestag vorbereitet.

Am Rande dieser Anhörung haben sich dann einige frühere Kundschafter, darunter auch die ehemaligen Chefs der HVA Werner Großmann und Markus Wolf, getroffen. Damals haben wir unsere Iniativgruppe gegründet, um unser Anliegen - die Forderung nach einem Ende der Kriminalisierung von Angehörigen der DDR-Geheimdienste - besser öffentlich vertreten zu können.

Wie fällt die Bilanz Ihrer 15jährigen Tätigkeit aus?

Die einzige Partei, die in unserem Sinne Anträge in den Bundestag eingebracht hat, war die PDS. Unterm Strich betrachtet, kam dabei natürlich nur wenig heraus, weil die Anträge bei allen anderen Parteien auf Ablehnung stießen.

Wir haben aber auch Erfolge erzielt. Beispielsweise waren wir an mehreren Buchprojekten und Dokumentarfilmen unter anderem der BBC beteiligt, haben an verschiedenen europäischen Universitäten Vorträge gehalten und unsere Sicht auf den Verlauf der Geschichte dargestellt. Außerdem haben wir in ganz Deutschland, in Tschechien und Österreich über 100 Informationsveranstaltungen durchgeführt. So ist es uns zumindest gelungen, der Geschichtsverfälschung der Herrschenden punktuell etwas entgegenzusetzen.

Während die Verfolgungsbehörden der Bundesrepublik gegen ehemalige Angehörige und Mitarbeiter der DDR-Dienste vorgegangen sind, blieben westliche Agenten unbehelligt. Warum?

Am 15. Mai 1995 faßte das Bundesverfassungsgericht einen Beschluß zum Umgang mit deutsch-deutscher Spionage, der von uns als Dreiklassenstrafrecht bezeichnet wird. Das Gericht beschloß damals, daß diejenigen, die zum Zeitpunkt ihres Anschlusses ihren Lebensmittelpunkt in Ostberlin hatten, gar nicht bestraft werden sollten. Diejenigen, die in anderen westlichen Ländern aktiv waren, würden im Fall ihrer Auslieferung bestraft werden. Kundschafter hingegen, die ihren Lebensmittelpunkt in den westlichen deutschen Bundesländern hatten, sollten so bestraft werden, als hätte es niemals einen Beitritt der DDR gegeben. Seitdem nennen wir das, was uns angetan worden ist, Beitrittsunrecht. Während viele von uns zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden, wurden Mitarbeiter der westlichen Geheimdienste - also Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst usw. - rehabilitiert, entschädigt und sogar ausgezeichnet.

 

Wie erklären Sie sich, daß es knapp 20 Jahre nach der Annexion der DDR, noch immer zu harschen Angriffen auf den sozialistischen Teil Deutschlands und dessen Organe kommt?

 

Die Siegermentalität und die Diffamierung all dessen, was mit der DDR zusammenhängt, muß im Gesamtzusammenhang betrachtet werden. Die Herrschenden wollen mit der »Krake Stasi« von den massiven sozialen Mißständen ablenken, die heute für viele Menschen Armut und mangelnde Bildungschancen bedeuten.

 

Verwundert Sie, daß viele Personen, die sich früher als DDR~»Bürgerrechtler« bezeichneten, der aktuellen Kriegspolitik Deutschlands sowie dem zunehmenden Abbau von Freiheits- und Bürgerrechten zujubeln?

Viele selbsternannte »Bürgerrechtler« sind ja wie beispielsweise Vera Lengsfeld bei der CDU gelandet. Außer

Haß und Häme haben diese Personen jedoch nichts zu bieten, und daher kann man sie nicht wirklich ernst

nehmen.

 

Wie geht es weiter mit Ihrem Verein?

Zunächst möchte ich den Unterstützern, die uns in den vergangenen Jahren freundschaftlich und solidarisch begleitet haben, danken. Unser Gründungsappell schließt mit den Worten: »Wir haben der Sache des Friedens und des Sozialismus gedient und fühlen uns mit allen Opfern des Kalten Krieges verbunden.« Das gilt auch für unsere Zukunft.

www.kundschafter-f rieden.de

Spendenkonto: IKFe.V., Sparkasse Köln-Bonn, Konto: 68965, BLZ: 37050198