Hans Fricke
Die Stunde der Heuchler
Die weltweite Betroffenheit und Trauer über den Tod von
Nelson Mandela, seine Würdigung als großen Revolutionär und herausragenden
Menschen darf nicht vergessen machen, dass Nelson Mandela und seine Mitkämpfer
jahrzehntelang nicht nur gegen das rassistische Apartheitregime
Südafrikas und dessen Mörderbanden kämpfen mussten, sondern dass sie sich
einer nahezu geschlossenen Front jener Staaten des Westens gegenüber sahen, die
dieses mörderische Regime und alle seine Verbrechen bis zum Schluss aktiv
unterstützten und materiell sowie personell förderten, während sie den African
National Congress (ANC) unter Führung von Nelson
Mandela als terroristisch denunzierten und ihn selbst als Mörder und Verbrecher
verleumdeten und verfolgten.
Noch 1987 bezeichnete die englische Premierministerin
Margaret Thatscher den ANC als „typische
Terrororganisation“, Abgeordnete ihrer Partei nannten Nelson Mandela „schwarzen
Terroristen“und forderten, ihn erschießen zu lassen.
Franz Josef Strauß begeisterte
sich für die Rassentrennung. Im Jahr 1988 – Nelson Mandela saß bereits seit
einem Vierteljahrhundert in Haft - erklärte
Strauß bei einem Dinner mit der Polit-Elite Südafrikas: „Nie in meinem
40-jährigen politischen Leben habe ich eine so ungerechte und unfaire
Behandlung eines Landes erlebt, wie sie Südafrika widerfährt.“ Als langjähriger
gern gesehener Gast des Apartheidregimes verteidigte der bayrische
Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender die weiße Regierung des Landes und äußerte Verständnis für die
Unterdrückung der schwarzen Mehrheit durch die weiße Bevölkerung.
Noch 1988 war Strauß Ehrengast
von Außenminister Pik Botha.
Es sei schlicht „unzulässig
schlechterdings vom Apartheitregime zu sprechen“,
schrieb er einmal an seinen CDU-Kollegen Helmut Kohl. In den sechziger Jahren
lobte er die „hohe religiöse und moralische Verantwortlichkeit“ der politischen
Führung als mögliches „Modelbeispiel“für die Welt.
Die Abschaffung der Apartheid
nannte Strauß „unverantwortlich“ und die Gleichstellung der schwarzen Mehrheit
„nicht wünschenswert“. Treffen mit ANC-Vertretern lehnte er ab.
Noch nachsichtiger gegenüber dem rassistischen Regime war
die US-Regierung unter Ronald Reagan. 1980 setzten die USA Mandelas ANC auf
ihre Terrorliste. Als der US-Kongress 1986 den
„Comprehensive Anti-Apartheid Act“ mit Unterstützung von Demokraten und Republikanern
verabschiedete, der Wirtschaftssanktionen und Reisebeschränkungen gegen die
südafrikanische Regierung vorsah und Mandelas Freilassung forderte, legte
Reagan sein Veto ein.
Sein Schmusekurs mit der weißen Regierung folgte auch der
Logik des Kapitalismus.
Dass Thatcher, Reagan und Strauß auf der Seite der
rassistischen Banden und ihres brutalen mordens und schlachtens von Menschen standen, belegt deren Charakter
und den ihrer Anhänger und Zöglinge hinreichend.
Gut, dass wieder mal daran erinnert wird, wess' Geises Kind der ehemalige
NS-Führungsofizier Franz Josef Strauß in Wirklichkeit
war.
Bei einem Besuch in Washington beschimpfte der
südafrikanische Bischof Desmond Tutu die Haltung der Reagan-Regierung deshalb
als unmoralisch, böse und absolut unchristlich“. Er sagte die berühmt
gewordenen Sätze: „Du bist entweder für oder gegen Apartheid, und damit meine
ich nicht nur theoretisch. Du bist entweder auf der Seite der Unterdrückten
oder auf der des Unterdrückers. Du kannst nicht neutral sein.“
Reagan aber blieb
stur und blockierte Mandelas Freilassung.
Ein Abgeordneter, der zwei Mal gegen Mandelas Freilassung
stimmte, war der spätere US-Vizepräsident Dick Cheney. Er sagte 20 Jahre
später: „Der ANC wurde damals als Terrororganisation betrachtet. Ich habe
überhaupt kein Problem mit meiner Entscheidung.“
Erst 2008 strichen die USA den ANC von ihrer Terrorliste.
Während der heutige britische Premierminister und
Tory-Chef David Cameron sich bereits
2006 bei Mandela für die Haltung der Thatcher-Regierung entschuldigte, ist in
dieser Beziehung vom deutschen Regierungschef bis heute kein Wort des Bedauern
zu hören.
Angela Merkel entschuldigt sich leider nicht für die
jahrzehntelange Unterstützung West-Deutschlands für das Apartheidregime (die
DDR unterstützte Mandela und den ANC auch materiell) und dafür, dass 1996
zahlreiche Unionsabgeordnete Mandelas Rede vor dem Bundestag verhindern
wollten, da dieser ja ein Terrorist sei. Für die Glückwünsche der Union an die
damalige Apartheidregierung hat sie sich leider auch nicht entschuldigt.
Offenbar ist sie wie US-Präsident Obama der irrigen
Auffassung, ein schwülstiger Nachruf erspart ihnen diese längst überfällige
Entschuldigung beim Volk von Südafrika.
Im übrigen ist die von der
Generalversammlung der Vereinten Nationen 1973 angenommene und 1976 in Kraft
getretene Internationale Konvention über die Bekämpfung und Bestrafung des
Apartheid-Verbrechens (deutsch in: Gesetzblatt der DDR, Teil II, 1974, S. 492
ff.) von der BRD wie von den USA offensichtlich infolge wirtschaftlicher und
militärischer Interessen nicht ratifiziert worden. Auch nach „Herstellung der
deutschen Einheit“ durch den Einigungsvertrag von 1990 hat die Bundesrepublik
nicht die Gelegenheit wahrgenommen, den 1974 vollzogenen Beitritt der DDR zur
Anti-Apartheid-Konvention der UN für das ganze Gebiet Deutschlands
anzuerkennen.
Inzwischen ist das Apartheidverbrechen (als Art. 7 j) in den
Katalog der vom Internationalen Strafgerichtshof zu verfolgenden Verbrechen
gegen die Menschlichkeit aufgenommen worden.
Thejiwe Mtintso,
die damalige Botschafterin Südafrikas in Kuba ,
charakterisierte die Heuchler des Westens bereits im Dezember 2005: „Heute hat
Südafrika viele neue Freunde. Gestern haben diese Freunde unsere Führer und
Kämpfer Terroristen genannt, uns aus ihren Ländern gejagd
und zur gleichen Zeit das Südafrika der
Apartheid unterstützt.
Diese gleichen Freunde wollen heute, dass wir Kuba
denunzieren und es isolieren.“
Doch es seien die Kubaner und nicht diese „neuen Freunde“
gewesen, die zu Tausenden ihr Leben für die Freiheit der Völker im südlichen
Afrika gegeben hätten.
Es war das sozialistische Kuba, das es damals nicht bei
warmen Worten beließ, sondern dessen Soldaten für die Befreiung des gesamten
südlichen Afrika vom rassistischen Apartheidregime kämpften. Insgesamt mehrere
zehntausend kubanische Internationalisten hatten ab 1975 auf der Seite der
Befreiungsbewegung MPLA gegen eine Intervention Südafrikas im gerade unabhängig
gewordenen Angola gekämpft. Die Niederlage der Rassisten dort öffnete den Weg
zur Unabhängigkeit Namibias 1990 und zur Befreiung Südafrikas.
Mandela selbst würdigte dies 1991 bei einem Staatsbesuch in
Havanna: „Lang lebe die Kubanische Revolution, lang lebe Genosse Fidel Castro!
Die kubanischen Internationalisten haben sehr viel für die Unabhängigkeit,
Freiheit und Gerechtigkeit in Afrika getan.Wir
bewundern die Opfer des kubanischen Volkes, die es bereit ist, im Kampf um
seine Unabhängigkeit und Souveränität zu erbringen – gegen eine brutale
imperialistische Kampagne, die die Fortschritte der Kubanischen Revolution
zerstören will. Es kann keine Kapitulation geben. Die Frage lautet: Freiheit
oder Tod. Die Kubanische Revolution ist eine Quelle der Inspiration für alle
freiheitsliebenden Völker.“
Von seinem Freund und Kampfgefährten Fidel Castro sagte
Mandela, dass er der einzige Politiker gewesen sei, der ihn niemals in Stich gelassen
hätte.
„All jene, die damals wie heute auf der Seite des
Rückschritts und der Unterdrückung der Völker im Namen der 'westlichen Werte'
stehen, die die Welt mit neokolonialistischen Kriegen, mit Hunger, Elend,
Folter und Tod überziehen, versuchen nun, Nelson Mandela nach seinem Tod für
ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Von seinen und den Zielen der
südafrikanischen Befreiungsbewegung soll im Bewusstsein der Menschen nichts
übrig gelassen werden.
Doch das Gedächtnis der Menschheit wird sich nicht täuschen
lassen. Wir trauern mit dem Volk Südafrikas um Nelson Mandela, den
Revolutionär, Freiheitskämpfer und konsequenten Freund der Kubanischen
Revolution, und weisen, die nun betriebene Geschichtsfälschung in aller Schärfe
zurück.“ ( „Heuchler am Werk“ von Heinz-W.Hammer,
Vorsitzender der Regionalgruppe Essen der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba
e.V., „junge Welt“, 7./8.!2.2013)
In diesem Zusammenhang verdient das Statement von
Bundespräsident Joachim Gauck zum Tod
von Nelson Mandela nicht zuletzt deshalb besondere Aufmerksamkeit, weil es
darin u.a. heißt:
„Unvergessen auch seine Rolle im Versöhnungsprozess. Trotz
der demütigenden Erfahrung von 27 Jahren Haft auf Robben Island fand er den Mut
und die Kraft, nicht den Weg des Hasses zu gehen. Die Wahrheits- und
Versöhnungskommission, die er vorschlug, erinnerte die Menschen daran, dass
nicht Rache, sondern Wahrheit, Recht und Vergebungsbereitschaft inneren Frieden
befördern und Zukunft eröffnen.“
Diese Worte aus seinem Munde rufen bei Millionen ehemaligen
DDR-Bürgern verständnisloses Kopfschütteln, ja Empörung hervor. War er es doch,
der sich als „Bundesbeauftragter für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der DDR“ berufen fühlte, als „Rächer“ zu fungieren
und als allgewaltiger Verwalter die Akten
des MfS zu mißbrauchen.
Durch einen von ihm initiierten Zusatz zum Einigungsvertrag wurde der Plan
der Bundesregierung zur Aktenvernichtung ausgehebelt und Gauck wurde williger
Vollstrecker einer menschenfeindlichen Einigungspolitik, die bis heute anhält.
„Er wurde laut DER SPIEGEL 'Herr der Akten, der
Großinquisitor', der offenbar auf Bestellung lieferte, aber auch eigene Politik
betrieb.Wo immer „politischer Bedarf“ war, die
Gauck-Behörde war stets zur Stelle: in juristischen Prozessen, vor Wahlen, in
Krisenzeiten, bei der Besetzung und Suspendierung von Ämtern, bei der Ablösung
von Abgeordneten und der Vergabe von Posten.
Besonders spektakulär und für viele politische und
persönliche Entwicklungen einschneidend
'...war die unter Missachtung elementarster
rechtsstaatlicher Grundsätze praktizierte Medienpolitik der von Gauck
geleiteten Behörde'.
Mit der Behauptung neutraler Auskünfte und unter dem Deckmamtel angeblicher Forschungen wurden Kontakte zum MfS
angedeutet, vermutet, fingiert, konstruiert und belegt, die schwerwiegende
Folgen für Betroffene hatten. Verdächtige, Beschuldigte und Opfer dieser
Denunziationen und damit im Sinne der herrschenden 'Täter' waren neben
Mitarbeitern des MfS überwiegend ostdeutsche Politiker, Juristen,
Parlamentarier, Schriftsteller, Polizisten, Wissenschaftler, Künstler,
Angestellte und Beamte, die sich für eine bestimmte Stelle im öffentlichen
Dienst oder für ein Ehrenamt bewarben oder dieses bekleideten.
Gaucks Behördenauskunft war in politischen Strafverfahren
zur Abrechnung mit der DDR und in Rentenangelegenheiten unentbehrlich.
Schließlich waren es auch private Firmen und Einrichtungen, die zur Einholung
von Auskünften gedrängt wurden, um festzustellen, ob ein Mitarbeiter MfS
belastet ist.
Unter Gauck entwickelte sich eine bis heute anhaltende
regelrechte Stasi-Jagd, die teilweise Progromcharakter
annahm. Gegenstand waren die Tätigkeit im und jegliche Kontakte zum MfS: wie
Informelle Mitarbeit (IM), Geheime Mitarbeit (GM), Überlassung konspirativer
Wohnungen, dienstliche und berufliche Verbindungen – wie von Gauck selbst
ausreichend praktiziert.
Oscar Lafontaine erklärte in einem Interview mit STERN: „Wir
teilen die Auffassung des Willy-Brandt-Kreises der SPD, dass die Behörde, die
er nach der Wiedervereinigung leitete, für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte
ungeeignet war und durch Gauck instrumentalisiert wurde, um die DDR auf allen
Ebenen zu delegitimieren. Dabei wissen die
Ostdeutschen, dass der protestantische Pfarrer Gauck durchaus zu jenen
gehört hat, die von der Staatssicherheit
auch Privilegien erhalten hat...
Niemand kennt die genaue Zahl derjenigen, die sich nach dem
Vorwurf einer Zusammenarbeit mit dem MfS und der daraufhin einsetzenden
Medienkampagne, verbunden
mit der Stigmatisierung,
Bedrohung und Ausgrenzung das Leben nahmen. Es waren
Menschen, die beim Aufbau einer neuen Gesellschaft helfen wollten und sich
humanistischen Idealen verpflichtet fühlten...
Als ein westdeutscher Historiker sich an die Gauck-Behörde
mit der Frage wandte, ob nicht nach der Wende durch Stasi-Verfolgung schon mehr
(Selbstmord-)Opfer als an der Mauer zu beklagen seien, bekam er die eiskalte
Antwort: 'Darüber führen wir keine Statistik.' „
(Klaus Blessing / Manfred Manteuffel „Joachim Gauck, der
richtige Mann? Edition BEROLINA)
Vor diesem Hintergrund ist es gelinde gesagt eine Zumutung,
wenn ausgerechnet Bundespräsident Joachim Gauck in seinem Statement zum Tod von
Nelson Mandela dessen Rolle im
Versöhnungsprozess, seine Vergebungsbereitschaft und Ablehung
des Weges des Hasses hervorhebt.
Das gilt auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in
ihrer Würdigung des Lebens von Nelson Mandela erklärt, dass er ein Gigant der
Geschichte sei, der überzeugt war, dass
nicht Haß und Vergeltung, sondern Versöhnung die Welt
besser machen.
Sie hat als Bundeskanzlerin weder Gaucks Rachsucht als Chef der nach ihm benannten
Behörde unterbunden noch ist sie bereit, die vielen Forderungen nach Auflösung
dieser Mammut-Behörde zu erfüllen.
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Hans Fricke ist Autor des 2010 im GNN-Verlag erschienenen
Buches „Eine feine Gesellschaft; Jubiläumsjahre und ihre Tücken – 1949 bis
2010-“ 250 Seiten, Preis 15.00 Euro,
ISBN 978-3-89819-341-2
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