In den Fängen
der Bettina Renner
Erlebnisbericht
über ein Interview und journalistische Geschichtsaufarbeitung
Am 05.03.08 übermittelte mir Dr. Hannes
Sieberer – ehemals für den US-amerikanischen Geheimdienst MI tätig und Koautor
des Buches „Verheizt und vergessen“ – die Kopie einer E-Mail an eine Bettina
Renner, in der er der Empfängerin meine Festnetznummer und meine Mailadresse
übermittelt hatte.
Anlass war eine per Mail an Dr.
Sieberer gerichtete Anfrage folgenden Inhalts:
Lieber Herr Sieberer,
wie schon gesagt: Ich arbeite an einer Fernsehdokumentation für die ARD zu dem
Thema "Untersuchungshaft des MfS". In diesem Zusammenhang möchte ich
gern mit ehemaligen Mitarbeitern des MfS, die in den Abteilungen IX und XIV zu
tun hatten, in Kontakt treten. Es wäre ganz wunderbar, wenn Sie mir dabei
helfen könnten.
Vielen Dank und auf
bald
Bettina Renner, Regie
Kurze Zeit nach Eingang der Mail von
Dr. Sieberer, rief mich Bettina Renner telefonisch an. Ich erklärte ihr
zunächst, dass das von ihr genannte Thema nichts sagend sei und ich daraus
nicht auf ihre wirkliche Absicht schließen könne. Aus meiner Sicht widerspricht
alles, was ich ihr sagen kann, dem herrschenden Zeitgeist, erklärte ich ihr und
stellte die Frage, ob ihre Dokumentation dazu beitragen solle, Hubertus Knabe –
den Leiter des Gruselkabinetts in Berlin-Hohenschönhausen – zur Strecke zu
bringen. Ich bezog mich dabei auf eine kürzlich erfolgte zweiseitige
Veröffentlichung in der „Berliner Zeitung“ zu diesem Thema. Im Brustton
tiefster Überzeugung versicherte mir Bettina Renner, dass sie sich einer
sachlichen, demokratischen Aufklärung verpflichtet sieht und Hubertus Knabe in
ihrer Dokumentation keine Rolle spielen würde. Ihr Ziel sei es, die Aussagen
von Zeitzeugen zusammen zu tragen. Auf meine Frage, ob sie in diesem
Zusammenhang auch Dr. Sieberer und seine Mitautoren des zwischenzeitlich
erschienenen Buches „Als Agent hinter dem eisernen Vorhang“ interviewen würde,
beantwortete sie ausweichend. Ich unterrichtete sie darüber, dass ich in jedem
Falle auf einer separaten
Tonaufzeichnung unseres Gespräches bestehen würde. Sie schlug mir ein
persönliches Treffen zum näheren Kennenlernen vor und erbot sich, mich an
meinem Wohnort aufzusuchen. Das lehnte ich mit der Begründung meines Wissens
über Methoden des „investigativen Journalismus“ ab, erklärte mich aber zu einem
Vorgespräch – unter der Voraussetzung, dass sie mir bis dahin schriftlich ihre
Interviewfragen übermittelt – am 15.03.08 in Leipzig bereit. An diesem Tage war
für mich eine Buchlesung im Rahmen der Leipziger Buchmesse geplant. Ich nannte
ihr Ort und Zeitpunkt der Buchlesung. Die Tage bis zu meiner Abreise zu der
Veranstaltung in Leipzig vergingen ohne Eingang einer Zeile von Bettina Renner.
Also betrachtete ich die Sache als erledigt.
Am Ende der Buchlesung am 15.03.08
sprach mich eine junge Frau an, die ich vorher unter den Teilnehmern nicht
wahrgenommen hatte. Es war Bettina Renner. Lange Rede kurzer Sinn, am Ende
ihrer mit Stress und Überlastung begründeten Entschuldigungen drängte sie - aus
Zeitgründen - auf einen Interviewtermin für den 19.03.08. Unter der Bedingung,
dass ich vorher schriftliche Informationen zu ihrem Gesprächskonzept erhalte,
stimmte ich zu. Am 18.03.08 erhielt ich einen Anruf des Leiters der
Produktionsfirma, der um eine Verlegung des Interviewtermins auf den 20.03.08
ersuchte. Auf meinen Hinweis, dass ich noch immer auf Informationen zum
Gesprächskonzept warte, erklärte er mir, Frau Renner arbeite gerade daran und
wird es mir noch heute übermitteln. Der 18.03.08 verging ohne Eingang des
zugesagten Konzeptes. Am 19.03.08 wartete ich bis gegen 20:00 Uhr vergeblich.
Danach rief ich Bettina Renner auf ihrer Mobilnummer an. Sie erklärte, sich
gerade auf dem Heimweg nach Dresden zu befinden und sicherte mir verbindlich
zu, das Konzept noch heute zu übersenden. Die zugesagte E-Mail traf dann auch
ein. Sie trug die Sendezeit von 22:04 Uhr und hatte folgenden Inhalt:
Sehr geehrter Herr
Kierstein,
wie versprochen kommt
nun etwas verspätet die mail mit den Angaben zu unserem Film:
Wie ich Ihnen bereits
sagte, realisiere ich gemeinsam mit der Produktionsfirma Looksfilm eine Dokumentation über die Untersuchungshaft
des MfS.
Ich möchte Sie gern
als Zeitzeugen zu den Schwerpunkten Ihrer Arbeit als Untersuchungsführer befragen: Ich möchte gern in dem Interview
Details aus Ihrem Arbeitsalltag in Hohnschönhausen und Methoden der
Untersuchung und Ermittlungen von Ihnen erfahren. Zudem interessiert es mich,
von Ihnen mehr über die Struktur und den Aufbau der Linie 9 zu erfahren. Wie
sind Sie speziell bei Ermittlungen vorgegangen? Wie sah Ihr Arbeitsalltag aus?
Was war Ihnen bei Ihrer Arbeit wichtig? Nach welchen Methoden haben Sie die
Vernehmungen geführt? Welches Ziel hatte Ihre Arbeit? Welchem Zweck diente die
MfS-Untersuchungshaft?
Zudem interessiert
mich der Umfang der Straftaten, die Sie im Zusammenhang mit dem Straftatbestand
der Spionage aufklären konnten.
Vielen Dank und dann
bis morgen
Bettina Renner
Dank der Tatsache, dass ich das gesamte
Interwiew vom 20.03.08 mit meinem digitalen Diktiergerät aufgezeichnet habe –
die Textübertragung umfasst 15 Seiten im Format A4 – kann ich die Kernfragen
des Interviews dem, mir per Mail übermittelten, Konzept gegenüber stellen:
l
Gab es denn vielleicht auch solche Fälle oder war das
überhaupt im Rahmen der Möglichkeit zu sagen OK, wir haben aber einen anderen
Straftatbestand und prüfen dann im Laufe der Ermittlungen, ob wir den
Straftatbestand der Spionage erhärten können?
l
OK, mit dieser Spionage deshalb, da oftmals im Gespräch mit
Zeitzeugen, dass da einige zum Beispiel auch wegen Spionage angeklagt wurden,
die einen Ausreiseantrag gestellt hatten!
l
Aber so andere Hilfskonstruktionen, sagen Sie, dass ist
ausgeschlossen?
l
Was haben Sie denn gelernt, wie man sich verhält als
Untersuchungsführer, wenn jetzt der zu Vernehmende einfach sagt, ich sage
nichts? Also was konnte man denn dann machen?
l
Sie schließen aus, dass man so ein bisschen, sag ich mal,
schon auch gezeigt hat OK, es gibt da auch noch andere Möglichkeiten und Wege?
l
OK, kommen wir mal weiter zu den Methoden. Also welche
Methoden haben Sie jetzt gelernt oder was wurde da generell, was wurde Ihnen an
die Hand gegeben, wenn jemand sagt, ich sage nichts aus, oder aber wenn jemand
gesagt hat, ich habe die Sachen nicht gemacht, also ich bin nicht schuldig?
l
OK, welche Methoden hatten Sie denn noch oder wie war es
Ihnen denn noch möglich, ein Geständnis zu erzielen oder noch mehr
Informationen zu gewinnen?
l
Wie war das denn eigentlich. Gab es auch einen Zeitplan, gab
es so was, dass man sagt, wir brauchen jetzt entweder ein Geständnis oder wir
brauchen neue Fakten, wenn jemand partout sagt, ich sage nichts. Gab es denn da
Besprechungen, hat sich die Strategie verändert, wie sind Sie denn da
vorgegangen?
Alles Fragen, die darauf schließen
ließen, dass hier die Thesen über Folter und Seelenmord des Gruselkabinetts
(„Gedenkstätte“) Berlin-Hohenschönhausen Pate gestanden hatten. Mit Ausdauer
und Geduld habe ich versucht, die tatsächlichen Methoden der Untersuchung von
Spionagedelikten an Hand gegebener Sachverhalte zu erläutern. Ich bezog auch
eindeutige Position dazu, dass Gesetzesverletzungen durch Untersuchungsführer
des MfS zu ahnden sind (jedem Interessenten übermittele ich gern den
schriftlichen Text des Interviews).
Das tatsächliche Thema der
Dokumentation erfuhr ich erst nach Abschluss des Interviews, als ich mein
schriftliches Einverständnis für eine Verwendung der Aufzeichnung geben sollte.
Es lautete „In den Fängen der Stasi“. Darauf angesprochen beschwichtigte
Bettina Renner, dies sei nur ein Arbeitsthema, welches noch modifiziert
würde. Ausgehend davon, dass keine
meiner wahrheitsgemäßen Antworten für eine diffamierende Interpretation
geeignet sind, habe ich meine Zustimmung gegeben.
Nachdem ich die von mir gefertigte
Tonaufzeichnung des Interviews in voller Länge angehört hatte, sah ich mich
trotzdem veranlasst, an Bettina Renner
am 24.03.08 eine E-Mail folgenden Inhalts zu senden:
Sehr geehrte Bettina
Renner,
ich habe mir in Ruhe
meine Tonaufzeichnung über unser Gespräch zu Ihrer Dokumentation mit dem
Arbeitstitel „ In den Fängen der Staatssicherheit“ angehört. Wie aus dem
Gespräch zu erkennen, hatte ich an einigen Stellen Probleme nachzuvollziehen,
woraus die Diktion Ihrer Fragen resultiert. Dies hat mich veranlasst, speziell
über das Thema „Einsichten und Aussichten“ ehemaliger Mitarbeiter des MfS nachzudenken. Das Ergebnis finden Sie in der
beigefügten Datei „Einsichten.doc“. Vielleicht erschließen sich Ihnen daraus
ergänzende Erklärungen zu meiner Position im Interview und der Denkweise
anderer ehemaliger Mitarbeiter des MfS. Wie ich bereits in unserem Gespräch
betonte, verweigern wir uns nicht einer differenzierten Aufarbeitung unserer
Tätigkeit; widersetzen uns aber einer pauschalen Kriminalisierung. Deshalb
betrachte ich es auch als ernsten Mangel, dass Sie Dr. Sieberer und seine
Mitautoren der Publikation „Als Agent hinter dem Eisernen Vorhang“ nicht
interviewen! Gerade hier bestünde eine objektive Möglichkeit, die Aussagen von
„Tätern“ und „Opfern“ sachbezogen gegenüber zustellen.
Falls Teile meiner
Aussagen dennoch in Ihre Dokumentation aufgenommen werden, gehe ich von einer
entsprechenden Vorabinformation an mich aus. Bitte informieren Sie mich in
jedem Fall, wann und in welchem Kanal Ihre Dokumentation gesendet wird.
Mit freundlichen
Grüßen
Herbert Kierstein
Eine Antwort habe ich bisher nicht
erhalten.
Am 06.04.08 übermittelte mir Dr.
Sieberer per Mail die Internetadresse
von ard-gital.de/20038_1
Dort fand ich folgende
Programmankündigung der ARD:
In
den Fängen der Stasi
Ein
Film von Bettina Renner
Sendetermin:
26.04.2008, 16:00 Uhr
Ohnmacht und Angst.
Die meisten, die in die Fänge der DDR-Staatssicherheit gerieten, berichten von
genau diesen Gefühlen. Nach Bespitzelung und massiver Einschüchterung folgte
oft die Verhaftung.
Wer von der Staatssicherheit
zur, wie es im Amtsdeutsch hieß, 'Klärung eines Sachverhaltes' festgenommen
wurde, musste massive Repressalien über sich ergehen lassen. In den 17
Untersuchungshaftanstalten des Ministeriums für Staatssicherheit wurden
politische Gefangene gedemütigt und gequält. Schlafentzug und die völlige
Isolation der Häftlinge gehörten ebenso wie brutale Verhörmethoden zum perfiden
Arsenal der Stasi. Nicht sadistischer Willkür, sondern 'wissenschaftlich'
fundierten Untersuchungen folgte die Behandlung der Häftlinge. Deren Willen
sollte gebrochen werden, die Haft abschreckend wirken.
Die Dokumentation
blickt hinter die Kulissen der Stasi-Haftanstalten und lässt Menschen zu Wort
kommen, die in das Netz des MfS gerieten. Der Film liefert damit Einblicke in ein
engmaschiges System der Einschüchterung, das ganz wesentlich den Alltag der Menschen
in der DDR mit prägte.
Damit war die Katze aus dem Sack und
das eigentliche Motiv der Interviewfragen sichtbar.
Mein von Anbeginn existierender
Verdacht auf eine beabsichtigte arglistige Täuschung hatte sich damit
bestätigt. Dieser Verdacht war auch der Grund dafür, dass ich auf einer eigenen
Tonaufzeichnung des Gespräches bestanden habe. Obwohl mich dieser Umstand in
eine günstigere Position versetzt hat, als andere Opfer arglistiger Täuschung,
ich denke dabei u.a. an die hessische Landtagsabgeordnete Christel Wegner, sah
ich mich nun – aus innerer Überzeugung – trotzdem veranlasst, mich derartigen
Machenschaften zu verweigern. Mit Datum vom 06.04.08 habe ich Bettina Renner eine Mail folgenden
Inhalts übermittelt:
Geehrte Bettina
Renner,
Dr. Sieberer
übermittelte mir heute die Adresse der Internetseite von ard-digital.../
20038_1, mit dem Hinweis, ich möge mir diese Seite ansehen. Ich kann wohl
darauf verzichten, den dort vorgefundenen Text zu zitieren. In jedem Falle
beweist dieser Text, dass Sie versucht haben, mich zum Opfer einer arglistigen
Täuschung zu machen. Als Beweis stehen dafür Ihr Schriftverkehr mit Dr.
Sieberer, mein Schriftverkehr mit Dr. Sieberer und der Schriftverkehr zwischen
uns sowie meine Tonaufzeichnung zum Interview vom 20.03.08, zur Verfügung. Da
es Ihnen ganz offensichtlich nicht um eine differenzierte Aufklärung der
Tätigkeit des Untersuchungsorgan des MfS geht, widerrufe ich meine Unterschrift
zur Verwendung Ihrer Video- und Audioaufzeichnungen vom 20.03.08 und mache Sie
vorsorglich auf die rechtlichen Konsequenzen einer Zuwiderhandlung aufmerksam.
Mit freundlichen
Grüßen
Herbert Kierstein
Juristische Überlegungen veranlassten
mich, unter gleichem Datum, dieser Mail eine explizite Definition nachfolgen zu
lassen:
Geehrte Bettina Renner,
Der Widerruf meiner
Unterschrift gilt für alle Fälle, in denen meine Antworten auf eine Frage durch
Schneiden gekürzt oder in anderweitiger Weise entstellt werden. Gleiches gilt,
wenn eine meiner Antworten in Bezug gesetzt wird mit Tatbeständen, die nicht
den Bestimmungen der §§ 97 und 98 des
Strafgesetzbuches der DDR entsprechen. Jeder Einzelfall bedarf meiner
ausdrücklichen Zustimmung.
MfG
Herbert Kierstein
Die Erstausstrahlung der Sendung
erfolgte bereits am 16.04.08 um 21:45 Uhr im Anschluss an den Film „12 heißt
ich liebe Dich“, der aber hier nicht detailliert kommentiert werden soll. Nur
soviel: Gedreht wurde dieser Film in der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt
des MfS in Dresden und in verschiedenen Medien wurde publiziert, dass sich der
Vorfall auch in dieser Anstalt ereignet habe. Tatsächlich aber bezieht sich der
Film auf ein Ereignis in der Untersuchungshaftanstalt in
Berlin-Hohenschönhausen, dem Gruselkabinett des Hubertus Knabe. Es ergibt sich
die Frage, warum wurde nicht am tatsächlichen Ereignisort gedreht? Hat Hubertus
Knabe die Drehgenehmigung verweigert, weil der Inhalt des Filmes die in Berlin-Hohenschönhausen täglich
verbreiteten Folterstorys nicht deckt? Zurück zum Werk von Bettina Renner.
Sicher nicht zufällig wurde dieses mit dem genannten Film im Sendeplan
kombiniert. Inhaltlich wurde versucht, die Anflüge von Menschlichkeit – die
sich im Film zeigten – auszubügeln. Gut gedacht, aber schlecht gemacht. Unerwähnt blieben die wichtigsten
Tätergruppen, für die das Untersuchungsorgan (die Linie IX) des MfS zuständig
war, insbesondere Täter, die sich Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit, Mord, Brandstiftung, Sabotage, wirtschaftliche
Schädlingstätigkeit und Spionage schuldig gemacht hatten. Leibhaftig
präsentiert wurden 4 (vier) Zeitzeugen. Es wurde vermieden, die gegen diese von
Seiten des MfS erhobenen Schuldvorwürfe konkret und detailliert zu benennen.
Mit Sicherheit handelte es sich bei einem dieser Zeitzeugen um einen
DDR-Bürger, der seinen Staat verlassen wollte, da in Bezug auf seine Person von
„Antragsteller“ gesprochen wurde. Offen blieb, was die Gründe für seine
Inhaftierung waren? Hatte er versucht, das Gebiet der DDR auf ungesetzlichem
Wege zu verlassen? Bereits im Jahre 2005 veröffentlichte der Willy-Brandt-Kreis
eine Erklärung, aus der sich ergibt, dass von den DDR-Bürgern, die seit 1961
ihren Staat verlassen haben, 92,72 % auf gesetzliche Weise mit Genehmigung der
Behörden der DDR ausgereist sind. Welche besonderen Gründe also lagen bei dem
einen Zeitzeugen vor? Anzumerken ist noch, dass die überwiegende Mehrheit der
Ermittlungsverfahren gegen die verbleibenden 7,28 % der Ausreisewilligen
DDR-Bürger, welche auf ungesetzliche Weise versucht haben, ihr Vorhaben zum
Verlassen ihres Staates zu realisieren und inhaftiert wurden, durch das
Untersuchungsorgan des Ministeriums des Innern
und nicht durch das des MfS bearbeitet wurde. Schlecht recherchiert oder
bewusst verschwiegen ist hier die Frage. Gleiches trifft auf die Aussage einer
Zeitzeugin zu, dass sie mehrere Stockwerke tief in eine Kellerzelle geführt
wurde, wo eine ihr unbekannte Person erschien und sie lautstark zu einem
Geständnis aufgefordert habe. Es wäre interessant zu erfahren, welche
Untersuchungshaftanstalt des MfS mehrere Stockwerke tief Kellerzellen hatte.
Viel Wesentlicheres aber wurde bei der Recherche übersehen. Die für die
Ermittlungsverfahren zuständigen Untersuchungsführer (Mitarbeiter der Linie IX)
hatten keinen Zugang zur Untersuchungshaftanstalt. Die Mitarbeiter der
Untersuchungshaftanstalt (Mitarbeiter der Linie XIV) kannten weder den Namen
der Beschuldigten, noch den Gegenstand der Ermittlungen und das
Aussageverhalten. Als einziger Täter käme ein Staatsanwalt in Frage, der die
Sache kannte und auch Zugang zur Untersuchungshaftanstalt hatte. Auf diese Idee
ist selbst Hubertus Knabe noch nicht gekommen, weil sie – wenn auch verlockend
– offensichtlich zu abwegig ist.
Beeindruckend waren die Aufnahmen von
seit annähernd 20 Jahren nicht gewarteten Räumen und Gebäuden. Auch hier wurde
nicht bedacht, dass es in allen Untersuchungshaftanstalten des MfS so genannte
Hauskommandos – besetzt mit Strafgefangenen – gab, die für Instandhaltung und
Sauberkeit zuständig waren.
Eine abschließende Erkenntnis. Auch wenn ich meine Unterschrift für die Verwertung des Interviews vom 20.03.08 nicht widerrufen hätte, wäre keine meiner Aussagen im Kontext dieser „Dokumentation“ verwertbar gewesen. Verwertbar aber sind meine Erkenntnisse und Erfahrungen über das „sachliche und demokratische“ Verständnis einer Bettina Renner.