Endlich gefunden:
Originalvorlage für die in der „Gedenkstätte Hohenschönhausen“ angeblich
rekonstruierten Folterzellen
„…Bindet ihn anders, so daß er auf dem Rasen sitzt und mit dem Rücken an dem Stamme
lehnt. Bindet ihm auch den Kopf fest, so daß er ihn
nicht um ein Haar breit bewegen kann!«
Während die beiden Indianer dieser Weisung
gehorchten, holte ich den hohlen Teil eines Tagoarabambus
herbei, welcher in der Nähe lag und wohl als kleines Wassergefäß benutzt worden
war. Dieser hohle Cylinder war vielleicht zehn Centimeter im Durchmesser. Ich arbeitete mit der
Messerspitze ein kleines Löchelchen durch den Boden
und verschloß dasselbe dann mit einem Holzpflöckchen
in der Weise, daß das Wasser nur in einzelnen,
langsamen Tropfen hindurchquellen konnte. Der Diener mußte
das Gefäß mit Wasser füllen, und dann wurde es hoch über dem Kopfe des Yerno an den Stamm gehängt. Ich hatte es so getroffen, daß vielleicht alle vier Sekunden ein kleiner Tropfen drei
Ellen hoch auf die Mitte des Schädels des Yerno fiel.
Dann rasierte ich mit der Schärfe meines Bowiemessers das Haar von dieser
Stelle...
»Diese Wassertropfen sollen das erwirken,
was die Prügel nicht zustande gebracht haben?«
»Ja, das werden sie!«…
»Nennen Sie das Gefühl, welches der
Wassertropfen hervorbringt, einen Schmerz?«
»Nein; aber eine unausgesetzte Folge von
Tropfen, welche nacheinander auf eine und dieselbe Stelle fallen, bringt eine
Wirkung hervor, mit welcher sich kein anderes Schmerzgefühl vergleichen läßt. Die Wirkung muß, wenn sie
nicht rechtzeitig unterbrochen wird, unbedingt zum Wahnsinn führen. Haben Sie
noch nicht gehört, daß die amerikanischen
Sklavenbesitzer diese schreckliche Strafe gegen ungehorsame Schwarze oft und
viel in Anwendung brachten?«
»Nein.«
»Nun, ich bin Zeuge solcher Vorgänge
gewesen. Ich habe einen Neger und eine Negerin, seine Frau, in der sogenannten Tropfhütte sitzen sehen; beide waren so
gefesselt, daß sie weder ein Glied, noch den Kopf
bewegen konnten, und die Tropfen fielen ihnen in regelmäßigen Intervallen auf
die Köpfe. Sie brüllten wie wilde Tiere, und der Schaum triefte ihnen über die
Lippen…. Gesehen habe ich da, welche entsetzliche Wirkung die Tropfhütte oder
der Tropfstuhl hat. Es wird keine Stunde vergehen, so können Sie diese Wirkung
an dem Yerno beobachten.«…
Ueber die Züge des Gefangenen ging ein höhnisches Zucken,
als ob er sagen wolle, daß das Peitschen ja schon
einmal nichts gefruchtet habe, und daß er sich auch
jetzt aus den Prügeln nichts machen werde. Aber der Hohn verschwand ebenso
schnell, wie er gekommen war. Der Yerno kämpfte
bereits mit aller Kraft gegen die sichere, unausbleibliche Wirkung der
Wassertropfen…
Wir müssen warten, bis die
Schmerzen so übermächtig werden, daß er gar nicht
mehr denken kann oder vielmehr bis er nur den einen Gedanken noch hegt, von
seinen Qualen befreit zu werden... Die Töne, welche er ausstieß, waren nicht zu
beschreiben. men! Nehmen Sie das verdammte Wasser weg!«
Das war nicht die Art und Weise, welche
mich hätte bewegen können, ihm den Willen zu thun.
Aber der Desierto schob das Gefäß zur Seite.
»Geben Sie mir die Hände frei!« fuhr der Yerno fort. »Ich muß an meinen Kopf greifen, ich muß!«
»Soll ich?« fragte
der Alte, indem er sich bereits bückte, um das an ihn gerichtete Verlangen zu
erfüllen.
»Nein,« antwortete
ich, indem ich ihn auf die Seite schob. »Er mag erst gestehen.«
Das Gesicht des Yerno
hatte jetzt ein erdfahles Aussehen; seine Lippen waren blutig gebissen, und vom
Blute strotzten die Adern seiner Augen…
Bei diesen Worten schob ich das Gefäß
wieder an die vorige Stelle, so daß die Tropfen ihn
wieder auf den Kopf trafen.
»Nur das nicht,«
schrie er auf. »Nur das nicht wieder! Nehmen Sie das Wasser weg! Ich will ja
gestehen. Aber das Wasser weg!«“
[Karl Mays Werke: In den Cordilleren, S. 410 ff.Digitale Bibliothek Band 77: Karl Mays Werke, S. 47632 (vgl. KMW-IV.8, S. 272 ff.)]
Vergleiche auch: "Beweise" für Folter seitens des MfS
Vergleiche auch: Kronzeuge Karl May