Dieter
Winderlich: Vom Strafvollzug zum letzten Chef der Volkspolizei
(edition
berolina – Berlin 2017 )
ISBN 978-3-95841-076-3, Preis: 19,99 €
Man sollte schon aufmerken, benennt ein Zeitzeuge aus der
DDR einen Abschnitt in seinem autobiografischen Buch mit „Wieder hinter Gittern
– die besten Jahre meines Berufslebens“. Ich höre förmlich den Aufschrei
solcher Zeitzeugen, die mit dem DDR-Recht in Konflikt kamen, vorausgesetzt sie
lesen auch solche Lebensberichte, die in ihren Erinnerungen, vom Zeitgeist der
Delegitimierung des sozialistischen deutschen Staates völlig überdeckt, immer
wieder Grauenvolles aus den JVA schildern. Um diese geht es hier aber nicht.
Dieter Winderlich, Generalmajor a.D., hat von der Pike auf den Strafvollzug in
der DDR kennengelernt, in wesentlichen Teilen mit auf- und ausgebaut und auch
Verantwortung getragen. Er lernte auch die Hierarchien im zuständigen
Ministerium des Innern und der Deutschen Volkspolizei kennen, erfüllte in
einigen höheren Dienststellungen entsprechende Aufgaben gewissenhaft und lässt
in diesem Zusammenhang auch sehr kritische und selbstkritische Anmerkungen dem
Leser wissen. Wer den Autor nicht kennt, seinen Lebensweg hier nun liest, kann
eigentlich zu keinem anderen Schluss kommen: All das Erlebte hat er ehrlichen
Herzens aufgeschrieben, an vielen Stellen persönliche und staatliche Defizite
und Fehler sehr deutlich benannt und kann deswegen als verlässlicher Zeitzeuge
angesehen werden. Voller Stolz sieht er auf sein Leben zurück und ist von
Bitternis erfüllt, wenn er Demütigungen und Enttäuschungen nicht nur seiner
Person, sondern auch gegenüber seiner Familie und vielen ehemaligen DDR-Bürgern
nach der bundesrepublikanischen Annexion der DDR erleben musste. Doch zurück zu
seiner Zeit „hinter Gittern“. Zwei Dinge, die die nützliche Arbeit im
Strafvollzug zum einen und die gesellschaftliche Verantwortung nach der
Strafverbüßung zum anderen ansprechen, in der die DDR der BRD von einst und
jetzt weit voraus war, sollen dabei besonders erwähnt werden, weil sie sehr
anschaulich beschrieben sind. Seine ersten Schritte im Strafvollzug tat er im
Jugendhaus Dessau (seit 1968 wurden die Jugendgefängnisse so bezeichnet), in
dem jugendliche Straftäter einsaßen. All denjenigen, die die Zwangsarbeit im DDR-Knast
besonders anprangern, seien diese Darstellungen besonders empfohlen. Die
nützliche körperliche Arbeit war das Kernstück für die Erziehung im
Strafvollzug der DDR. Bei den Jugendlichen war auch noch der evtl.
Schulabschluss als auch eine Berufsausbildung einbezogen. Mit dem Aufbau des
Jugendhauses in Wriezen und seiner Leitung, sah er sich neuen, größeren
Anforderungen gegenüber. Und hier mache ich aufmerksam auf all das, was
Winderlich im Zusammenhang mit dem 1968 erlassenen Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz
(SVWG) beschreibt. Ein absolutes Novum, das die Persönlichkeit des Einzelnen
achtet und ihm einen Neustart im beruflichen als auch im gesellschaftlichen
Leben ermöglichen sollte. Keineswegs unumstritten in der Bevölkerung, einigen
staatlichen Institutionen, doch zutiefst human und eben nur im sozialistischen
deutschen Staat möglich gewesen. Wenn ich oben von seiner Bitternis schrieb,
dann auch deshalb, weil seine Altersbezüge für die Zeit seiner Tätigkeit als
Stellvertreter des Ministers und als Chef der Volkspolizei fallbeilartig
gekürzt wurden. Und so ist es schon legitim die Frage zu stellen, woher nimmt
dieser ‚Rechtsstaat‘ BRD das Recht, einen solchen Eingriff ins Rentenrecht
mittels Strafrecht vorzunehmen. So sollte auch der vorletzte Abschnitt „Nach
der DDR – Demütigungen und Enttäuschungen“ mit großer Aufmerksamkeit gelesen
werden; Kopfschütteln war das Wenigste, was mich dabei erfasste.
Helmut
Holfert