Wortmeldung eines Oberstaatsanwaltes
Kundschafter im Westen
2003 traf
ich einen Kundschafter des Friedens, einen ehemaligen, der nach dem Beitritt
wie ein Schwerkrimineller bestraft worden war.
Kundschafter
des Friedens? Im Westen war die Bezeichnung unbekannt. Und ich war in Hamburg
dreißig Jahre
Staatsanwalt gewesen, davon zwanzig Jahre als Verfolger von Naziverbrechen. In
der Hauptabteilung Politik, unterteilt in alte Politik (Nazis) und neue Politik
(Kommunisten). Nach dem Beitritt hatte ich von den Prozessen gehört. Auch hatte ich mich gewundert, daß
Ostagenten verurteilt und Westagenten belobigt wurden. Aber das blieb für mich eine juristische Problematik, -
ein Verstoß gegen das
Menschenrecht der Gleichbehandlung (Art. 3 Grundgesetz). Und der Verein der
Kundschafter des Friedens erschien mir, wieder juristisch gesehen, als
Interessenvertretung von Prozeßgeschädigten.
Was er sicherlich ist. Aber der Blick auf die vielen Menschen
unterschiedlichster Art, die dahinter stehen, wurde mir in diesem Jahr erstmals
durch das Buch - Kundschafter im Westen - geöffnet. Die juristische Brille war
abgesetzt. Das Gewissen regte sich. Und ich nahm Anteil.
Das Buch liest
sich mit heißem Kopf. Die
Menschen, die von ihrem Kundschafterleben schreiben, haben ihren eigenen Stil
und ihre individuelle Sprache. Das Buch ist nicht auf Linie gebracht. Es läßt
den Kundschaftern die Persönlichkeit, mal mehr, manchmal auch weniger sympathisch. Das Buch
regt auf. Die Lektüre wird bis zum Schluß immer spannender. Es legt sich nicht leicht
aus der Hand. Die Anteilnahme bleibt.
Dr. Dietrich Kuhlbrodt Hamburg,
02.05.04
Oberstaatsanwalt
a.D