Neues Deutschland vom 8. Januar 2008, Seite 5 (Inland)

Nur fünf Nazis mit »A 15 und höher«

Bundesregierung verharmlost noch heute die schwarz-braune Vergangenheit des BND

Von Rena Heilig

»Aufarbeitung der Gründungsgeschichte der Nachrichtendienste unter besonderer Berücksichtigung möglicher Nachwirkungen des Nationalsozialismus« lautete der Titel einer aktuellen Kleinen Anfrage von FDP-Bundestagsabgeordneten. Die Antwort der Regierung zeigt, dass es sich bei dem Thema noch lange nicht um ein historisches handelt.

Schuld ist Jörg Zierke. Der ist Chef des Bundeskriminalamtes, das eigentlich kein Geheimdienst ist, aber immer mehr dazu mutiert. Zierke hat zwischen August und Oktober vergangenen Jahres drei Kolloquien durchführen lassen, bei denen es um die Geschichte seines Hauses ging. Die Folge: Das BKA sponsert ein externes Forschungsprojekt zum Thema, das am besten mit braun-schwarzer Kontinuität umschrieben wird.

Lange genug hat das gedauert und was man jetzt so erforschen wird, kann beispielsweise all jene nicht überraschen, die mal in die »Braunbücher« - die in der DDR herausgegeben wurden, als die noch in ihrer Blüte stand - oder in vergleichbare Dokumentationen geschaut haben. Gleichfalls sehr erhellend war das 2001 erschienene Buch »Die braunen Wurzeln des BKA«, in dem der ehemalige BKA-Kriminaldirektor Dieter Schenk eine historisch-politische Rechnung mit seinem ehemaligen Arbeitgeber aufmacht.

In den Anfangsjahren hatten nur zwei von 47 BKA-Leitern eine weiße Weste. Die Aufklärung des Skandals ließ sich nicht mehr aufhalten, auch wenn der einstige SPD-Innenminister Otto Schily verlauten ließ, das BKA sei 1951 gegründet worden und könne so keine Nazi-Vergangenheit haben. Doch nun, quasi aus historisch-sicherer Entfernung, steht man halbwegs zur eigenen Schande. Was die FDP-Abgeordneten fragen ließ, ob das nicht auch Vorbild für den Bundesnachrichtendienst und den Verfassungsschutz sein könne.

Doch die Bundesregierung weicht aus. »Die Aufklärung der Gründungsgeschichte unter besonderer Berücksichtigung möglicher Nachwirkungen des Nationalsozialismus ist in erster Linie Aufgabe der Sicherheitsbehörden selbst.« Natürlich unterstütze man eventuelle Vorhaben, »da gerade den Sicherheitsbehörden eine besondere Verantwortung für den Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung zukommt«. Aus der Antwort wird auch ersichtlich, dass der BND derzeit eine andere Form der erneuten Befassung mit der Thematik »erwägt«. Und das Bundesamt für Verfassungsschutz? Da wird zur Zeit »eine Konzeption erarbeitet, die eine wissenschaftlich seriöse Aufarbeitung der Gründungsgeschichte des BfV sicherstellen soll«.

Zurück zum BND. Aus den - man bemerke die Feinheit - »vorhandenen« Personalakten konnten 69 Mitarbeiter ermittelt werden, die Ex-SS-Leute waren, drei gehörten der Gestapo an, acht dem SD, also dem Geheimdienst der SS, sieben waren ehemalige Angehörige der Sicherheitspolizei, zehn arbeiteten im Reichssicherheitshauptamt. Auch dass viele ehemalige BND-Geheimdienstler ihrem Chef Gehlen aus der Abteilung Fremde Heere Ost (FHO) in den BND gefolgt sind, hat die Bundesregierung »schon« erreicht. Wie tröstlich klingt da der Satz: »Im Übrigen wurde im weiteren zeitlichen Verlauf die Zahl der BND-Mitarbeiter mit FHO-Hintergrund tendenziell geringer.« Das ist nicht mehr als ein Dank an die Endlichkeit von Leben.

Die Bundesregierung versucht offenbar, die - in der Antwort nur ungenügend wiedergegebenen -Fakten nicht besonders wichtig zu nehmen. Und so klingt es schon fast beruhigend, dass man zwar -laut vorhandenen Personalakten - 69 ehemalige SS-Angehörige und acht ehemalige SD-Verbrecher ermitteln musste. Doch. »Von diesen 77 Personen hatten nur fünf Mitarbeiter bei ihrem Ausscheiden die Gehaltsstufe A 15 und höher (bzw. entsprechende BAT-Gehaltsstufen) erreicht.«