"RotFuchs" (Juli 2004)

Bubenstück „Grotewohl-Expreß"


In der Nacht vom 11. zum 12. März wurde mit Hilfe von Schwerlastkränen ein Waggon der Deutschen Reichsbahn, der zu DDR-Zeiten dem Transport von Gefangenen diente, auf das Gelände der ehemaligen MfS-Untersuchungshaftanstalt in Berlin gehievt, nachdem das Vorhaben gescheitert war, das Objekt in Bautzen unterzubringen. Der Vorgang war von einem orchestrierten Mediengetöse begleitet. In der Regel wurde in verleumderischer Absicht vom „Grotewohl-Expreß" gesprochen.

Der Direktor der „Gedenkstätte" verstieg sich dazu, den Waggon als „Abbild der angeblich demokratischen Gesellschaft" zu bezeichnen. (Der Stacheldraht 3/2004, S. 4) Ein Herr Götz nannte den Zug „DDR-Knastwagen". (Dresdner Neueste Nachrichten, 6/7. März 2004) In der pluralistischen Medienlandschaft ist noch mancher andere diffamierende Begriff für dieses Gefährt aufgetaucht. Haben die „unabhängigen" Journalisten vor ihrem Erguß auch die Fakten recherchiert? Seit April 1998 existiert in der „Stiftung Sächsische Gedenkstätten" eine Studie, die von der „Forschungseinrichtung" in Auftrag gegeben worden und vom Steuerzahler zu finanzieren war. Dr. Jan-Henrik Peters schrieb über „Einsatzgeschichte und Möglichkeiten der musealen Nutzung des Gefangenentransportwagens der Deutschen Reichsbahn". Damals wollte das „Bautzen-Komitee" den Waggon nach Bautzen haben, obwohl er dort nie gewesen ist. Rainer Dollmuth hatte 1997 unter dem Titel „Ja, das ist der Grotewohl-Expreß" (Horch und Guck 2/1997, S. 49 f.) geschrieben und damit den Druck der „Opfer des Stalinismus" erhöht. Was also fand Dr. Peters?

• Solche Zellenwagen hat es in Deutschland seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts (als „Bismarck-Expreß"?) gegeben, in der BRD auch in der Ära Adenauers.

• 1947 hatte der Generalstaatsanwalt der britischen Besatzungszone sogar die Idee, die Gefangenentransporte der sowjetischen Besatzungszone zu kopieren.

In der BRD liefen bis in 60er Jahre 14 Gefangenenzüge. Seitdem werden für Häftlingstransporte Kraftfahrzeuge benutzt.

• In der DDR gab es fünf solcher Züge, von denen der dritte - wenn auch schadhaft - erhalten ist.

• Aus Kostengründen wurden Gefangene in „Ringen" über eine „zentrale Transportleitstelle" in Magdeburg befördert.

• Das Modell, das jetzt Museumsstück ist, wurde 1978 als „langer Halberstädter" konstruiert und nach 1980 gebaut. Da Otto Grotewohl 1964 verstorben ist, konnte er nur im Falle seiner Wiederauferstehung mit dem Waggon zu tun gehabt haben.

• Zur Qualität des Zuges sagte Dr. Peters, daß er das Modernste war, was die DDR damals produzierte. „Da der Zellenwagen aus Kostengründen von einem Serientyp abgeleitet wurde, kann schon aus diesen Gründen von einem absichtlich konzeptionell so angelegten .Folterwaggon' nicht gesprochen werden."

• Heizung, Belüftung usw. entsprachen dem damals modernsten Standard, weshalb besondere schikanöse Bedingungen nicht existierten.

• Wenn die Obergrenze der geplanten Transportkapazität (5 Gefangene in einem Abteil) erreicht worden wäre, müßte es eng geworden sein. Ob das je eintrat, ist nicht belegt. „Von Übergriffen seitens der Bewacher ist dem Verfasser in keinem Fall berichtet worden. Im Bundesarchiv konnte in den Aktenbeständen hinsichtlich von Häftlingsbeschwerden ebenfalls kein derartiger Vorgang ausgemacht werden." Dr. Peters veranschlagte die Reparaturkosten unter Berufung auf ein Ausbesserungswerk in Potsdam auf 25 000 DM. Die Beschreibung der Schäden ist für diesen Bericht ohne Bedeutung. Wer für die Kosten der Reparatur und des Transports aufgekommen ist, kann der Presse nicht entnommen werden.

Das abschließende Urteil von Dr. Peters lautet: „Das bloße Vorhandensein von engen Zellenwagen bzw. deren Einsatz ... rechtfertigt aus sich heraus kaum ein extra Mahnmal, noch dazu, da während des Dritten Reiches tatsächlich menschenvernichtende Transporte stattfanden." Dieser Hinweis führt uns zu einer Frage: Wo sind eigentlich jene Güterzüge und Viehwaggons zu besichtigen, mit denen die Opfer der faschistischen Repression, Aggression und Okkupation nach Auschwitz und Majdanek transportiert wurden?

Prof. Dr. sc. phil. Horst Schneider

 

Anmerkung: Was der sog. "Grotewohl-Express" mit der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt des MfS zu tun hat, bleibt ebenfalls ein Geheimnis. Untersuchungshäftlinge des MfS wurden zu keinem Zeitpunkt per Eisenbahn sondern immer in speziellen Gefangenentransportwagen auf der Straße transportiert. W. Schmidt