„junge Welt“, 01.06.2010 / Ansichten / Seite 8
Horst Köhler des Tages: Wilfried Huismann
Schwer lastet die DDR auf den Gemütern der Überlebenden. Bis gestern gellten nachts Schreie durchs Schloß Bellevue: Horst Köhler träumte wieder von Ostpanzern. Zum 20. Jahrestag der Montagsdemonstrationen erklärte er vor ein paar Monaten seine Gesichter zur Realität von 1989 und erzählte den Leipzigern, damals seien Panzer dort gewesen, wo sie keine gesehen hatten. Ähnlich geht es dem Journalisten Wilfried Huismann: Ihn verfolgen kubanische oder Stasi-Killerkommandos. Huismann gelang es eine Weile, seine Halluzinationen als Dokumentarfilme den ARD-Anstalten zu verkaufen. Das schaffte Köhler nicht, ein echter Rücktrittsgrund. 2006 schilderte Huismann in »Rendezvous mit dem Tod«, wie Fidel Castro John F. Kennedy hatte umlegen lassen. Diese Bebilderung einer fixen Idee war dem WDR Hunderttausende Euro wert, ein Argument für einen zweiten Versuch. Aber auch in »Schnappschuß mit Che« konnte Huismann 2007 die karibischen Auftragsmörder nicht dingfest machen. Sei's drum: Wenn es um Realsozialismus geht, ist Psychopathisches in ARD-Anstalten normal. Die Ostmenschen, die sich nicht richtig um die Stasi kümmern, machen einen irre. Die Vollstreckung eines Mielke-Befehls von 1987 (den nur Huismann kennt), nach dem DDR-Ende mit 20 Milliarden DM die Weltherrschaft in Bremen zu ergreifen und von dort Raketen nach Südamerika zu schicken, übernahm der Filmemacher am Sonntag im Tatort »Schlafende Hunde«. Wie Huismann nach der Sendung im Internet-Chat bei Radio Bremen mitteilte (siehe Auszüge auf Seite 13), war das fast nicht ausgedacht.
Bei Köhler führte die DDR-bedingte Persönlichkeitsveränderung (er lebte als Kind in der Zone) dazu, daß er fast die Wahrheit über bundesdeutsche Kriege sagte. Huismann dagegen ist am Ziel: Wer die Realität für Fiktion hält, findet an der Weser Aufnahme in der dortigen Sendeanstalt. Mielkes Befehl hat sich erfüllt: Die spinnen, die Bremer.
(asc)