Und weiter heißt es in diesem Artikel: "Mit noch unbekannten Kumpanen soll der einstige Volksarmist, ein gelernter Funker, zwischen 1976 und 1987 mindestens zwei Dutzend Mal als Todesengel des Sozialismus geschickt worden sein, angesetzt auf Verräter und solche, die mit Verrat drohten. Gleich 25 Morde legt die Bundesanwaltschaft ihm als Mitglied "eines im Staatsapparat der ehemaligen DDR angesiedelten Kommandos" zur Last, begangen in Ost wie West. G.s verstörter Freundin deutete ein BKA-Mann viel sagend an, dass man noch "fünf anderen" Killern auf der Spur sei.
Es
wäre die wohl spektakulärste Enthüllung aus dem an Abgründen reichen
Unterdrückungsapparat der DDR - wenn sie denn stimmt.... Sogar einen verdeckten
Ermittler schleuste das BKA vor zwei Jahren an den Verdächtigen heran - der
Beamte soll sich nach Angaben von G.s Anwältin als CIA-Mann ausgegeben haben,
der einen erfahrenen Killer suchte. Jürgen G. erzählte dem vermeintlichen
CIA-Agenten daraufhin so viele Details seiner angeblichen Karriere, dass es für
einen Haftbefehl reichte...
Mit
diesen Erzählungen konfrontiert, stritt Jürgen G. vor dem Haftrichter alles ab:
Er habe sich doch nur wichtig machen wollen. Seitdem schweigt er.
Bei
Bundesanwaltschaft und BKA gelten die Ermittlungen als extrem schwierig. Vor
allem, weil bislang nicht eine Leiche gefunden wurde, die zu der Mordtheorie
passen will - und damit auch kein Fall, in dem dem mutmaßlichen Agenten eine
Mordmission im Staatsauftrag nachgewiesen werden könnte. In der Regierung, die
die Bundesanwaltschaft direkt nach der Festnahme informierte, kursieren deshalb
Zweifel, ob der Fall nicht in die Kategorie gern kolportierter, aber nie
bewiesener Stasi-Verbrechen gehört. Aber kann man sich wirklich vorstellen,
dass Jürgen G. die ganze Geschichte nur erfunden hat?
Immerhin:
Die Liste solch mysteriöser Todesfälle, in die die Stasi involviert gewesen
sein soll, ist lang. Nach den ersten Meldungen über die Verhaftung von
"Honeckers Killer" ("Bild") wurde eilig spekuliert, Jürgen
G. sei womöglich an Uwe Barschels Tod in der Badewanne 1987 oder am Tod des
1983 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Fußballers und
Republikflüchtlings Lutz Eigendorf beteiligt gewesen. Auch ein dubioser Fenstersturz
eines Spitzendiplomaten der DDR in Bukarest geriet wieder ins Visier.
Die
Beispiele sind zwar von Legenden umwoben, aber für die Bundesanwälte
untauglich: Die Auftragsmörder, so hat es Jürgen G. erzählt, sollen ihrer
Lizenz zum Töten ohne Ausnahme mit einer Neun-Millimeter-Makarow nachgekommen
sein, der Standardwaffe der russischen Armee. "Wir haben einfach noch
keine passenden Einschusslöcher gefunden", klagt ein frustrierter
Fahnder....Selbst die raren Details, die Jürgen G. dem verdeckten Ermittler anvertraute,
sind bislang Spuren ins Nichts - wie etwa die angebliche Hinrichtung des
früheren "Postministers" des Arbeiter-und-Bauern-Staats in
Karlshorst. Jürgen G. soll Schmiere gestanden haben, als der tödliche Schuss
fiel. Nur: Einen toten Postminister hat es nie gegeben. Inzwischen mutmaßen die
Fahnder, vielleicht sei ja das Ende des früheren Finanzministers Siegfried Böhm
gemeint, der mit einer Makarow erschossen wurde - aber von seiner Frau.
Auch
die Stasi-Unterlagen-Behörde, seit Monaten auf der Suche nach Belegen, förderte
kein Blatt Papier über das Kommando zu Tage. ...Stets freundlich sei der
schlanke Mann mit der Brille gewesen, sagen Bekannte. Seine Wohnung
durchsuchten BKA-Beamte vergangene Woche mit Spürhunden. Doch auch hier fanden
die Staatsschützer keine Hinweise auf eine heimliche Karriere in einer der
Undercover-Einheiten, die Mielke in der Hoch-Zeit des Kalten Krieges hatte
gründen lassen.
Ähnlich
wie es die amerikanische CIA oder die westeuropäische Gladio-Organisation
taten, ließ auch Mielke Pläne für Sabotage- und Terroraktionen auf gegnerischem
Terrain ausarbeiten. "Wir wissen relativ umfassend, wer dafür ausgebildet
wurde. Aber wir wissen wenig über konkrete Anschläge", sagt Thomas
Auerbach von der Birthler-Behörde. In deren Archiv finden sich auch der Befehl
Mielkes von 1963, eine geheime Sabotagetruppe zu gründen, sowie Berichte über
die aus den verschiedenen MfS-Abteilungen rekrutierten Kader und deren
Ausbildung. Bloß ein Hinweis auf G. oder auch nur auf ein tatsächlich entsandtes
Kommando, dem G. hätte angehören können, fehlt. .."
Soweit
der "Spiegel". Was die meisten anderen Medien und Presseorgane in dieser Sache so
von sich gaben, ist eher ein Stück nach dem Motto "je größer die Lüge,
umso eher wird sie geglaubt". Auch wenn am Ende ein kleinlautes Dementi
folgt, etwas hängen bleibt immer. Diese
Art von Volksverhetzung ist in der Bundesrepublik durch das Recht auf freie
Meinungsäußerung geschützt, ein Recht das allen gleichermaßen zusteht, nur verfügt eben nicht jeder über die
elektronischen Medien und die Presseorgane.
Wolfgang Schmidt
03.10.2003