Neues Deutschland vom 11. Februar 2008, Seite 6 (Meinung) Mein Berg - kein Spleen

Von Otto Köhler

»Störmanöver Deutsche Einheit - Die Spiegel-Affäre Ost« - das war letzten Donnerstag im RBB ein Film, der Aufklärung bringen wollte über jenes »Manifest Deutscher Kommunisten« vom Januar 1978, das einen Sprengsatz gegen die Entspannungsbemühungen zwischen Bundesrepublik und DDR legte. Der Film begab sich - wie angekündigt - »auf Spurensuche nach den Hintergründen des Entstehens jenes geheimnisumwobenen Bundes« und konnte nur einen Einmannbund deutscher Kommunisten vorweisen, der aus Hermann von Berg bestand.

Berg hatte dieses Manifest dem »Spiegek-Korrespondenten Ulrich Schwarz in die Hand diktiert, die freilich dabei so ermüdete, dass aus dem »Manifest der Deutschen Kommunisten« ein Zweiteiler im »Spiegel« wurde. Egal ob dieses Kommunistenmanifest nur ein Berg-Spleen oder doch auch ein »Machwerk des BND« war, wie die DDR-Regierung vermutete, seinen Zweck als Störmanöver bei der Ost-West-Entspannung erfüllte es. Und da wäre es nun spannend gewesen zu erfahren, was aus Berg wurde, wohin er sich wandte, als er 1986 auf westlichen Druck die DDR verlassen durfte. Bei mir klingelte im November 1988 frühmorgens das Telefon: »Hier Professor Berg. Das ist ja hochinteressant, was Sie über Professor Bossle geschrieben haben. Können Sie mir die Namen Ihrer Informanten nennen, damit wir uns zusammensetzen können und beraten, was da zu tun sei?« Da hielt mich einer für blöd. Ich hatte gerade für die »Zeit« einen umfangreichen Artikel geschrieben über den von Franz Josef Strauß in die Universität Würzburg als Soziologieprofessor zwangseingesetzten Lothar Bossle - der betrieb an seinem Lehrstuhl eine florierende Doktorenfabrik, die vor allem für jene tüchtigen Menschen nützlich war, die wenig Zeit zum Studium, dafür aber eine dicke Brieftasche hatten. Dass Professor Berg ein enger Vertrauter Bossles war, wusste ich auch. Vor allem aber wusste ich, dass Berg im »Institut für Demokratieforschung« arbeitete. Bossle betrieb es neben seinem Lehrstuhl als private, aber von vielen Seiten gut dotierte Einrichtung. Der zweite »wissenschaftliche« Direktor kam ganz ungetarnt vom Geheimdienst: Gerd-Helmut Komassa, ehemaliger Chef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), der unlängst seinen Kampf um die »Ehre« des deutschen Nazisoldaten auch in der rechtsextremistischen »National-Zeitung« des DVU-Führers Frey führte.

1989 schrieb der bayerische SPD-Landtagsabgeordnete Heinz Kaiser dem - alsbald im Amigo-Sumpf untergegangenen - bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl nach den Verbindungen des Instituts zum ehemaligen Folterzentrum des chilenischen Geheimdienstes, der Colonia Dignidad, wo sich Bossle mindestens viermal aufhielt. Der Abgeordnete fragte den Ministerpräsidenten auch nach unserem im Institut untergetauchten »Deutschen Kommunisten«: »Woher stammen die Behauptungen des Herrn von Berg, der erst seit 1986 in der Bundesrepublik ist, über den Journalisten Otto Köhler, der die Untersuchungen über die >Doktorfabrik< Bossles ins Rollen brachte?« Berg hatte mich in einem Rundschreiben an Professoren der Universität der »Kooperation mit bezahlten Desinformanten des SSD« bezichtigt. Und seine Informationen kulminierten in einem Bossle-Buch, in dem es über die »Rolle Otto Köhlers im kommunistischen Desinformationsdreieck« hieß, dass ich schon »1958 in Berlin in das Umfeld der RAF-Fraktion« (damals nur Royal Air Force) geriet und mit meinen Enthüllungen über Bossle in Wahrheit und im Auftrag der Stasi nur Hermann von Berg treffen sollte. Das ergab eine Einstweilige Verfügung, das Buch musste aus dem Verkehr gezogen werden. Aber welche Einrichtung da wem die Hand geführt, und was Hermann von Berg sonst noch im Westen getrieben hat, davon war im RBB-Film nichts zu erfahren. Schade.