Als Leserbrief mit geringfügigen
Kürzungen abgedruckt im ND am 5.8.03
Werner Großmann
01.08.2003
Zu: "Rauchzeichen aus dem
Rosenholz" (ND vom 31.07.2003)
Der
ND-Artikel wie solche in anderen Medien zum gleichen Thema veranlassen
mich, vor allem zu einem Punkt Stellung zu nehmen. Gleichlautend wird darauf hingewiesen, daß die sog.
Rosenholzunterlagen nunmehr den Nachweis einer IM-Tätigkeit ermöglichten. Bei
allen fehlerhaften Deutungen, vor allem durch Leute, die von den Sachverhalten keine Ahnung haben,
mag das auch mal gelingen. Was den Deutungen aber in jedem Fall anhaftet, ist
doch die Aussage, daß ein IM und seine Tätigkeit, im jetzigen Fall für die HVA
des MfS, also dem Auslandsnachrichtendienst der DDR, etwas ganz Furchtbares
gewesen sein muß. Auch angeblich Betroffene sind darauf bedacht, keinesfalls
ein IM gewesen zu sein. Ja ist es denn tatsächlich gelungen, mit Hilfe der
politischen Vorgabe, die DDR als Unrechtsstaat und sein Sicherheitsorgan,
darunter den Auslandsnachrichtendienst,
als dessen kriminell handelndes Überwachungs- und Verfolgungsinstrument
in die Köpfe der Menschen zu hämmern? Stellt sich denn niemand mehr die Frage,
was unter dem Begriff IM eigentlich zu verstehen ist, wer als solcher tätig war
und was er tat?
Zunächst mal ist zu dem Begriff IM
(inoffizieller Mitarbeiter und nicht wie vielfach fälschlich bezeichnet
informeller Mitarbeiter) zu sagen, daß es eine Bezeichnung zum Unterschied des
hauptamtlichen Mitarbeiters ist. Ein Auslandsnachrichtendienst wie die HVA kann
, wie solche Dienste anderer Staaten auch, seine Aufgaben nicht allein durch
die hauptamtlichen Mitarbeiter erfüllen. Dazu braucht er Gehilfen außerhalb des
Dienstes. Das waren unsere inoffiziellen Mitarbeiter (IM). Diese IM waren auf
den verschiedensten Arbeitsgebieten tätig. Es gab sie z.B. als Quellen in gegnerischen
Zentren außerhalb der DDR, treffender als Kundschafter bezeichnet, es gab sie
dort ebenso als Residenten wie auch als Instrukteure und Kuriere von der DDR
aus tätig.
Es gab auch DDR-Bürger als IM, die auf
Grund ihrer beruflichen und politischen Kontakte zu interessanten Personen im
Ausland, dazu gehörte die BRD und Westberlin, Möglichkeiten der
Informationsbeschaffung hatten. Natürlich haben wir die betreffenden Personen
alle für uns registriert, auch solche, die nicht förmlich verpflichtet wurden.
Ich kann mit Gewißheit behaupten, daß
nicht ein IM, der mit uns bewußt zusammenarbeitete, von uns zu einer solchen
Tätigkeit gezwungen wurde. Alle waren auf freiwilliger Basis und politischer
Überzeugung tätig. Und dessen müssen sie sich heute nicht schämen und keiner
hat sich bei jemandem dafür zu entschuldigen. Kein IM hat sich krimineller
Handlungen schuldig gemacht. Ihre Tätigkeit für die Erhaltung und Sicherung des
Friedens in der Zeit des Kalten Krieges erfolgte auf gesetzlicher Grundlage,
sie war rechtens, schadete niemandem, sie war nicht ehrenrührig. Wenn heute
jemand Schaden nimmt, dann sind es die IM und ihre Angehörigen, weil sie von bestimmten
Kreisen einer regelrechten Hetzjagd und Verteufelung ausgesetzt sind.
Vor allem Politikern, Medienvertretern und insbesondere Frau Birthler
und ihren
Mitarbeitern sei empfohlen, immer wieder im Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vom 15. Mai 1995 nachzulesen, wo u.a. festgeschrieben ist: "Die
Angehörigen der
Geheimdienste der DDR hatten -
wie die Geheimdienste aller Staaten der Welt -
eine nach dem Recht ihres Staates
erlaubte und von ihm sogar verlangte Tätigkeit ausgeübt ". Das betrifft
nicht nur die Hauptamtlichen, sondern auch ihre IM. Das betrifft auch nicht nur
die juristische Seite, sondern auch die politische. Ich verstehe z.B. auch
folgende Passage aus dem Urteil als eine politische: " Die Strafverfolgung
der so betroffenen DDR-Spione ist auch darum unangemessen, weil es der Gestaltung
der staatlichen Einheit entgegenwirkt, wenn die Staatsgewalt des vereinten
Deutschland gegenüber jenen Personen, die zuvor für die DDR tätig waren, den Anspruch
auf Bestrafung wegen der gegen die Bundesrepublik noch als "fremden"
Staat gerichteten Spionage wie vor der Vereinigung durchsetzen will ".
Werner Großmann